Die Netzhaut
dann können Sie mir sicher etwas über seine Identität sagen.«
Sie stieß einen Seufzer aus.
»Ich bin ihm nie begegnet. Ich glaube, er kam immer am Abend. Und Mailin hat nie seinen Namen verraten. Er war wohl insgesamt nur ein paarmal hier. Später habe ich nichts mehr von ihm gehört.«
Roar hakte nach.
»Im Herbst vor zwei Jahren? August, September?«
»Pål hat im September hier angefangen. Das war unmittelbar danach.«
»Alle Patienten sind doch wohl bei der Krankenkasse registriert?«
»Nein, nicht so viele. Die meisten kamen privat zu ihr.«
Roar machte sich Notizen. In diesem Moment glitt die Tür auf. Der Mann, der auf der Schwelle stand, trug T-Shirt und Cordhose, war unrasiert und hatte strubbelige Haare. Für einen Augenblick dachte Roar, es handele sich um einen Patienten.
»Tut mir leid«, sagte der Mann, als er den Polizisten erblickte. »Ich wusste nicht, dass das Gespräch so lange dauert.«
»Kein Problem«, versicherte Roar, während ihm klar wurde, wer da vor ihm stand. »Sind Sie Pål Øvreby?«
»Ja«, entgegnete er und streckte die Hand aus.
Roar meinte einen schwachen amerikanischen Akzent auszumachen, obwohl der Name durch und durch norwegisch war.
»Sie haben ja bereits am Donnerstag, dem 11. Dezember, eine Aussage gemacht«, stellte er fest. »Aber um Missverständnissen vorzubeugen, würde ich Ihnen gerne noch ein paar Fragen stellen.«
»Sure.«
»Sie arbeiten hier nachmittags?«
»Ja, ich bin definitiv ein B-Mensch. Ich komme spät, aber dann laufe ich zur Hochform auf.«
»Wie lange waren Sie an jenem Tag im Büro?«
»Ich bin circa um fünf von hier weggefahren«, antwortete Pål Øvreby, ohne zu zögern.
»Können Sie das noch ein bisschen präzisieren? War es zwei Minuten vor oder zwei Minuten nach fünf?«
»Warum schaffen wir uns eigentlich keine Stempeluhr an?«, fragte Øvreby Torunn Gabrielsen in amüsiertem Tonfall.
»Und auch Sie haben Mailin Bjerke an diesem Tag nicht gesehen?«, fuhr Roar unbeirrt fort.
»Weder gehört noch gesehen.«
»Wäre das möglich gewesen, ich meine, dass Sie sie gehört hätten?«
Øvreby ließ sich Zeit mit der Antwort.
»Kommt natürlich drauf an, was sie in ihrem Behandlungszimmer angestellt hätte.« Erneut schmunzelte er. »Aber ihr Auto stand ein Stück weiter oben an der Straße. Ich bin an ihm vorbeigegangen.«
»Das haben Sie bereits ausgesagt. Und Sie sind sich absolut sicher, dass es ihr Wagen war?«
»Ein weißer Japaner mit einer kleinen Delle auf der Beifahrerseite. Wenn Sie mich noch öfter danach fragen, fange ich vielleicht irgendwann an zu zweifeln.«
»Der Parkschein im Auto von Frau Bjerke war um 17:04 Uhr abgestempelt worden«, erklärte Roar. »Ungefähr um diese Zeit müssen Sie an dem Fahrzeug vorbeigegangen sein. Hätten Sie Mailin gesehen, wenn sie im Auto gesessen hätte?«
»Auf einen Meter Entfernung? Ich denke, schon.«
Roar dachte kurz darüber nach, was das für die Ermittlungen bedeuten könnte, falls Øvreby die Wahrheit sagte.
»Der Parkschein stammt aus dem Automaten am Hegdehaugsveien«, sagte er. »Weniger als fünfzig Meter von der Welhavens gate entfernt. Wäre es möglich, dass sie gerade vor dem Automaten stand, als Sie dort vorbeikamen?«
Pål Øvreby schien darüber nachzudenken. Ein vages Lächeln umspielte noch immer seine Lippen.
»Soweit ich mich erinnern kann, habe ich nicht in diese Richtung geschaut. Außerdem war es dunkel. Mit anderen Worten, ja, das ist durchaus möglich.«
»Wohin sind Sie gefahren?«
Er kratzte sich an der Nase.
»Hat das etwas mit der Sache zu tun?«
Roar wiegte zweimal den Kopf hin und her.
»Alles kann wichtig sein.«
»Alles und nichts«, bemerkte Øvreby, was auch immer er damit meinte. »Nun, ich bin ein bisschen durch die Gegend gefahren. Das mache ich manchmal nach einem anstrengenden Arbeitstag.«
»War dieser Tag besonders anstrengend?«
»Nicht schlimmer als die meisten anderen. Ich habe das Auto genommen und bin nach Høvikodden gefahren. Dort gehe ich öfter mit Lara spazieren.«
Roar schaute ihn fragend an.
»Mit meinem Hund. Was haben Sie denn gedacht?«
Roar hatte keine Lust, darauf zu antworten.
»Wann sind Sie nach Hause gekommen?«
»War das nicht so gegen neun?«
Øvreby warf Torunn Gabrielsen einen fragenden Blick zu. Sie antwortete nicht.
»Ich habe übrigens einen ziemlichen Lärm gehört, als ich mein Büro verließ.«
»Was für einen Lärm?«
»Hörte sich so an, als würde unten jemand wie wild
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