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Die neue arabische Welt

Die neue arabische Welt

Titel: Die neue arabische Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Großbongardt
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nach. Er berief eine Deputiertenkammer ein, die im Januar 1882 einen Verfassungsentwurf vorlegte. Und er ernannte eine neue Regierung, in der Oberst Urabi Kriegsminister und deren führender Kopf wurde.
    Als der Khedive im Mai 1882 Urabi auf Drängen der Briten und Franzosen entließ, weil dieser angeblich eine Verstaatlichung des von ihnen kontrollierten Suezkanals plante, riss der abgesetzte Minister in einer Militärrevolte die Macht an sich. Taufik bat die Briten um Hilfe, und die kamen gern – nicht, um ihm zu helfen, sondern aus eigenen Interessen.
    »Den Vorwand für ein Eingreifen der Briten lieferte die Behauptung, die Regierung rebelliere gegen die legitime Autorität, und die Ordnung im Lande sei zusammengebrochen«, analysierte der libanesisch-englische Historiker Albert Hourani. Der wahre Grund sei jedoch »der Drang nach Macht« gewesen, »den Staaten in einer Zeit der Expansion entwickeln und den die Sprecher der europäischen Finanzinteressen noch verstärkten«.
    Kriegsschiffe zogen vor Alexandria auf. Am 11. Juli 1882 gab Admiral Sir Frederick Beauchamp Seymour das Zeichen zum Angriff. Aus allen Rohren feuerten die Panzerfregatten und Kanonenboote auf die Befestigungsanlagen am Hafen und auf die Stadt. Als nach zwei Tagen das Bombardement eingestellt wurde, lag Alexandria in Trümmern und wurde von britischen Soldaten besetzt. Auch vom Osten Ägyptens her näherten sich britische Truppen, die im September 1882 in Suez landeten. Nach einem nächtlichen
Marsch durch die Wüste besiegten sie die ägyptische Armee in der Schlacht bei Tell al-Kebir. Ahmed Urabi geriet in Gefangenschaft und wurde nach Ceylon verbannt. Erst knapp 20 Jahre später, 1901, durfte er zurückkehren.
    Der Traum von der nationalen Freiheit eines arabischen Landes hatte nur ein knappes Jahr gewährt. Nun begannen sieben Jahrzehnte britischer Vorherrschaft in Ägypten. Sie dauerte bis ins Jahr 1952, als ein weiterer Offiziersaufstand mit Gamal Abd al-Nasser den letzten Vertreter der von Mohammed Ali begründeten Dynastie, den korrupten König Faruk, samt der britischen Schattenherrschaft hinwegfegte.
    Der deutsche Orient-Reisende Victor Ottmann, der sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts zwei Jahre lang in Ägypten aufhielt, erkannte schon 1908 das Wesen der britischen Kolonialisten: 1882 sei England mit dem Versprechen gekommen, »das Land zu verlassen, sobald die Ordnung wieder hergestellt wäre. Die Ordnung ist längst wieder hergestellt, aber England bleibt. Denn es besitzt eine ganz hervorragende Kraft der Beharrlichkeit – eine schöpferische Kraft, der es sein Weltreich verdankt.«
    Obschon Ägypten nominell ein Bestandteil des Osmanischen Reiches blieb, regierte in Wahrheit ein britischer Generalkonsul. Evelyn Baring, später zum Earl of Cromer erhoben, übte das Amt bis 1907 aus. Formell blieb Cromer stets Berater der Regierung. Tatsächlich wandelte sich der Khedivenstaat unter seiner Führung zu einem britischen Protektorat.
    Die Briten dehnten ihre Herrschaft sogar noch nach Süden in den Sudan aus. Dort hatte sich Mohammed Ahmed Bin al-Sajjid zum »Mahdi«, einer Art muslimischem Messias, erklärt und den Heiligen Krieg gegen die osmanisch-ägyptische Herrschaft und deren britische Protektoren ausgerufen.
Er eroberte 1885 die Hauptstadt Khartum und führte seine Glaubenskrieger zum Sieg über die Kolonialtruppen – die erste erfolgreiche afrikanische Rebellion. Erst 14 Jahre später konnte Londons Empire-Stratege Herbert Kitchener an der Spitze einer technisch überlegenen Armee die Nachfolger des kriegerischen Mystikers unterwerfen. Der Sudan blieb bis 1956 faktisch eine britische Kolonie.
    Wie am Nil nisteten sich die Briten im Laufe des 19. Jahrhunderts auch rund um die Arabische Halbinsel ein. 1839 nahm die East India Company Aden in Besitz, einen wichtigen Stützpunkt am Eingang des Roten Meeres, der nach der Eröffnung des Suezkanals 1869 erst recht an Bedeutung gewann. An der »Piratenküste« am Persischen Golf brachten die Briten 1853 durch einen »Ständigen Seefrieden« die dortigen Scheichtümer, die seit 1971 die Vereinigten Arabischen Emirate bilden, unter ihr Protektorat. Mit Bahrain und Oman, von wo aus die Straße von Hormus, der schmale Ausgang des Golfs, gut zu kontrollieren war, schloss England ebenfalls »Schutzverträge«. Die Briten nutzten die Schwäche des Osmanischen Reiches aus. Formal reichte das Imperium zwar immer noch von der Adria bis zum Persischen Golf und vom Kaukasus bis zum Golf von

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