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Die neue arabische Welt

Die neue arabische Welt

Titel: Die neue arabische Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Großbongardt
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1875 vor dem Staatsbankrott steht, übernimmt die englische Regierung unter Königin Viktoria das Aktienpaket des ägyptischen Staates und erlangt so entscheidenden Einfluss auf den Kanal. Am 29. Oktober 1888 wird der Suezkanal durch die Konvention von Konstantinopel zur neutralen Zone erklärt, Handels- wie Kriegsschiffe aller Nationen dürfen den Kanal gegen Gebühren befahren.
    Ferdinand de Lesseps ist ein gefeierter Held. Er erhält weltweit Auszeichnungen, darunter auch von der englischen Königin den Orden Grand Cross of the Star of India. Auf dem Höhepunkt seines Ruhmes zieht er sich aus der Betreibergesellschaft des Kanals zurück. Im Jahr 1879, er ist fast 75 Jahre alt, lässt er sich zu einem weiteren kühnen Vorhaben bewegen, dem Bau des Panamakanals – und scheitert. Tausende Anleger verlieren ihr Geld, Lesseps wird wegen Betrugs verurteilt. Er stirbt, verbittert, am 7. Dezember 1894 auf seinem Landgut bei Paris.

Die Wurzel allen Übels
    Die Briten brachten im 19. Jahrhundert
weite Teile des Nahen Ostens unter ihre Kontrolle.
Im Ersten Weltkrieg versprachen sie
dem Emir von Mekka einen unabhängigen Staat,
betrieben aber ein doppeltes Spiel.
     
    Von Norbert F. Pötzl
     
     
    Baumwolle war ein Exportschlager, weite Teile Ägyptens verwandelten sich in eine riesige Plantage. Eine Handelsblockade während des Bürgerkriegs in den USA von 1861 bis 1865 hatte in den Südstaaten die Ausfuhr des Malvengewächses fast zum Erliegen gebracht – die große Chance für Ägypten, den Weltmarkt mit den begehrten Samenfasern zu versorgen. Die Knappheit des Rohstoffs trieb die Preise in die Höhe. Vor allem die Textilmanufakturen in England kauften ägyptische Baumwolle.
    Das Land blühte auf. Ägyptens Herrscher, Khediven genannt, nutzten die Einnahmen, um die heimische Infrastruktur zu verbessern. Sie ließen Schulen, Eisenbahnen, Straßen und Bewässerungsanlagen bauen.
    Zwar unterstand Ägypten seit 1517 dem osmanischen Sultan von Konstantinopel. Aber der 1805 als Statthalter der Hohen Pforte eingesetzte Vizekönig Mohammed Ali, ein osmanischer Offizier albanischer Herkunft, hatte sich weitgehende Selbständigkeit erstritten – und das Recht, die Herrschaft auf seine Nachkommen zu vererben. Sein Enkel Ismail, der Ägypten von 1863 bis 1879 regierte, beging den Fehler, sich für Modernisierungsmaßnahmen enorm zu
verschulden. Zur Finanzierung nahm er großzügig Kredite zu ungewöhnlich schlechten Bedingungen auf – bis zu 25 Prozent Zinsen wurden fällig, und das bei einem Abschlag von insgesamt über 20 Millionen Pfund Sterling auf den Nominalwert von 68 Millionen. Mit den Profiten aus dem Baumwollexport, glaubte Ismail, würden sich die Schulden bestimmt leicht tilgen lassen.
    Überdies investierte die ägyptische Regierung zwölf Millionen Pfund in den Suezkanal, obwohl Ägypten von dem Prestigeprojekt wirtschaftlich gar keinen Nutzen hatte. Als nach dem Ende des amerikanischen Bürgerkriegs der Erlös aus den Baumwollausfuhren dramatisch einbrach, musste Ägypten 1875 seine Suezkanal-Aktien für vier Millionen Pfund an die Londoner Regierung verkaufen.
    Der britische Premierminister Benjamin Disraeli ahnte da noch gar nicht, welcher Coup ihm damit gelungen war. Der Wert der Aktien verzehnfachte sich auf 40 Millionen, und mit einem Schlag hatte Großbritannien neben dem bis dahin viel einflussreicheren Frankreich in der ägyptischen Politik ein entscheidendes Wort mitzureden.
    Im Jahr darauf war das Land am Nil pleite. Die Gläubiger erzwangen die Einsetzung einer internationalen Schuldenverwaltung. In der Regierung, die 1878 in Kairo gebildet wurde, erhielt ein Engländer das Finanzressort, ein Franzose wurde Minister für Öffentliche Arbeiten. So führte, wie der Konstanzer Historiker Jürgen Osterhammel resümiert, »eine Mischung aus europäischem Raubrittertum und nichteuropäischer Sorglosigkeit und Verschwendung« in Ägypten zu einem finanziellen Desaster – wie in vielen anderen abhängigen Ländern jener Zeit.
    Die demütigende Fremdbestimmung löste im Herbst 1881 in Ägypten eine nationalistische Bewegung aus. Ihr Wortführer war der Oberst Ahmed Urabi, der die Parole
ausgab: »Ägypten den Ägyptern!« Offiziere, Landbesitzer, Kaufleute, Intellektuelle und religiöse Führer schlossen trotz aller internen Differenzen ein Bündnis und verlangten vom Khediven – seit 1879 regierte Ismails Sohn Taufik – eine Verfassung, um ihre Rechte zu schützen. Unter dem Druck der Reformer gab Taufik

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