Die neue arabische Welt
Regenten Mohammed Said.
Lesseps reist nach Ägypten und unterbreitet Said bei einem Ausflug in die Wüste seinen Plan von einem Schifffahrtskanal, der das Mittelmeer mit dem Roten Meer verbinden soll. Seit über 20 Jahren beschäftigt er sich schon mit dieser Idee. Und es gelingt ihm, den Vizekönig von Ägypten, so der offizielle Titel
Saids, zu überzeugen: Am 30. November 1854 erhält Lesseps die erste Konzession, den Kanal zu errichten. Damit beginnt ein 15 Jahre dauernder Kampf um politischen Einfluss, gegen enorme technische Schwierigkeiten und große finanzielle Nöte.
Seit der portugiesische Seefahrer Vasco da Gama 1498 den Seeweg nach Indien entdeckt hat, müssen Schiffe den afrikanischen Kontinent umrunden, um von Europa nach Asien zu gelangen.
Ein Kanal durch Ägypten würde die Entfernung etwa von Marseille nach Bombay von 16 400 auf 7400 Kilometer verkürzen, die Passage Mitte des 19. Jahrhunderts rund 30 Tage schneller machen.
Der Plan für einen Wasserweg durch die Landenge von Suez reicht zurück bis ins alte Ägypten. Im 16. Jahrhundert wollen dann die Venezianer die Osmanen für ein Kanalprojekt gewinnen, im 17. Jahrhundert schlägt der deutsche Gelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz dem französischen »Sonnenkönig« Ludwig XIV. vor, einen Kanal zu bauen. Als Napoleon Bonaparte 1798 Ägypten erobert, lässt er Ingenieure das Vorhaben genau prüfen. Die Landvermesser kommen allerdings zu dem Schluss, dass der Spiegel des Roten Meeres 9,908 Meter höher liegt als der des Mittelmeers. Damit gilt das Vorhaben als zu aufwendig. Erst 1830 stellt sich der berechnete Höhenunterschied als Irrtum heraus.
Karikatur des Kanal-Erbauers Ferdinand de Lesseps
Unmittelbar nachdem Lesseps 1854 seine Konzession erhalten hat, versucht Großbritannien mit allen Mitteln, das Projekt zu verhindern. Englische Diplomaten setzen Sultan Abd al-Madschid I. in Konstantinopel unter Druck, Ägypten ist ja Teil des Osmanischen Reiches, und sie intervenieren am französischen Hof. Die englische Regierung weiß, dass, wer den Kanal beherrscht, den Zugang nach Asien kontrolliert. Der Suezkanal würde die Vorherrschaft Englands auf den Weltmeeren massiv gefährden. Auch Lesseps besucht den Sultan, er trifft zweimal den englischen Premierminister Lord Henry John Temple Palmerston, startet eine öffentliche Werbekampagne für sein Kanalprojekt. Die meisten europäischen Mächte befürworten das Vorhaben, wollen es sich aber nicht mit England verderben. Auch die Hohe Pforte, die osmanische Regierung, scheut sich deshalb, eine offizielle Baugenehmigung zu erteilen. Lesseps gründet eine Aktiengesellschaft, sammelt Kapital für den Bau ein und sieht nur eine Chance: Am 25. April 1859 lässt er die Arbeiten ohne Genehmigung aus Konstantinopel beginnen. Der ägyptische Herrscher Mohammed Said unternimmt nichts, um die Arbeiten zu stoppen.
Es wird das größte Bauvorhaben seiner Zeit: Maschinen, Werkzeuge, Kohle, Eisen und Holz müssen aus Europa herangeschafft werden. Zeitweise schuften in der Wüste mehrere 10 000 Arbeiter, viele lässt der ägyptische Vizekönig zwangsrekrutieren. Durch die rasante industrielle Entwicklung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kommen von Jahr zu Jahr mehr Maschinen, vor allem riesige Bagger, zum Einsatz.
Nach dem Tod Mohammed Saids im Januar 1863 spitzt sich der Streit um den Kanal weiter zu. Ein Jahr später gelingt es Napoleon III. als Vermittler, die Auseinandersetzungen zwischen Konstantinopel, dem Nachfolger Saids in Alexandria und Lesseps zu schlichten: Im März 1866, die Bauarbeiten laufen zu diesem
Zeitpunkt bereits sieben Jahre, erhält Lesseps endlich die offizielle Genehmigung der Hohen Pforte in Konstantinopel, und die britische Regierung beendet ihren Widerstand gegen das Projekt.
Am 17. November 1869, nach zehn Jahren Bauzeit, wird der Suezkanal eröffnet. Rund 30 000 Araber und 6000 ausländische Gäste nehmen an den Feierlichkeiten teil. Angereist sind der österreichische Kaiser Franz Joseph, Kronprinz Friedrich von Preußen, der russische Großfürst Michael und die französische Kaiserin Eugénie. England schickt nur seinen Gesandten aus Konstantinopel.
Die Baukosten belaufen sich auf über 400 Millionen Francs. Wirtschaftlich profitieren vom Kanal vor allem die Handelsmächte des Mittelmeers, die nun eine schnellere Verbindung in den Nahen und Fernen Osten haben als die Staaten Nord- und Westeuropas. Am Ende gehört sogar Großbritannien zu den Gewinnern. Als Ägypten
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