Die neue arabische Welt
seines Kulturkreises exemplarisch ausgedrückt«, schreibt SPIEGEL-Herausgeber Rudolf Augstein in einem Nachruf. Augstein hatte Nasser 1954 getroffen und sah in ihm »eine jener wenigen Figuren, deren Format sich in Gestalt, Mimik, Tonfall und Gesichtsausdruck überzeugend mitteilt«.
Nach außen beteuert sein Nachfolger Anwar al-Sadat, er wolle Nassers Werk fortsetzen. Doch er hat anderes vor. Sadat will mit Hilfe der USA Frieden mit Israel erreichen. Das erfordert den Bruch mit dem Nasserismus. Wenige Monate nach der Amtsübernahme organisiert der neue Staatschef eine Säuberung von linken Nasseristen. Er diffamiert seine Widersacher, darunter Nasser-Intimus Ali Sabri, als »Sowjet-Agenten«. Eine willfährige Justiz verurteilt sie zu langen Haftstrafen. Im Juli 1972 wirft Sadat etwa 15 000 sowjetische Militärberater aus dem Land. Moskaus Waffen aber braucht er noch für einen Krieg gegen Israel, der Ägypten Frieden bringen soll.
Im Oktober 1973 stürmen ägyptische Truppen die nach einem israelischen General benannte Bar-Lev-Linie am Ostufer des Suezkanals. Ende Oktober wird ein Waffenstillstand geschlossen. Sadat bemüht sich mit US-Außenminister Henry Kissinger darum, den jüdischen Staat für eine Friedensregelung zu gewinnen. Im November 1977 reist Sadat als erster und bislang einziger arabischer Staatschef nach Israel und hält vor dem Parlament, der Knesset, eine
historische Rede. Darin spricht er von seiner »heiligen Friedensmission«, die Israel in der Region »Sicherheit« garantieren werde. Sadat hofft zunächst, er könne einen »Gesamtfrieden« für den Nahen Osten erreichen, einschließlich einer Lösung der Palästinenserfrage. Doch Israels rechtsgerichteter Premierminister Menachim Begin will keinen Palästinenserstaat.
Vermittelt durch US-Präsident Jimmy Carter einigt sich Sadat im September 1978 in dem Erholungsort Camp David im US-Bundesstaat Maryland auf einen Frieden mit Israel, der auch den Abzug der israelischen Armee von der Sinai-Halbinsel bringt. Das Abkommen, für das Sadat und Begin den Friedensnobelpreis erhalten, isoliert Ägypten in der arabischen Welt. Dort gilt Sadat nun weithin als »Verräter«.
Bestätigt sehen sich Sadats Gegner, als Begin die Ruhe an der Grenze zu Ägypten bald für Schläge an anderen Fronten nutzt. 1981 annektiert Israel völkerrechtswidrig die syrischen Golanhöhen, 1982 vertreibt Begin in einem Feldzug im Libanon die Palästinenserführung aus Beirut. Selbst in Ägyptens apolitischen Streitkräften wächst der Hass auf den » Verräter«. Am 6. Oktober 1981 wird Sadat bei einer Militärparade in Kairo von islamistischen Offizieren erschossen. Das ägyptische Volk reagiert auf den Anschlag mit »teilnahmsloser Ruhe«, wie Medien berichten.
Sadats Nachfolger Husni Mubarak regiert Ägypten im Ausnahmezustand. Abstimmungen lässt er manipulieren. Während die Staatssicherheit Regimekritiker foltert und ermordet, präsentieren sich Unternehmen und Verbände mit Anzeigentexten wie: »Huldigen wir dir, o Mubarak!« Den ägyptischen Alltag prägen Korruption, Arbeitslosigkeit und Armut. Mubarak, Kreditnehmer des Internationalen Währungsfonds, führt ein marodes Regime am Tropf der Vereinigten Staaten. Die überweisen jährlich allein 1,3 Milliarden
US-Dollar Militärhilfe nach Kairo. Rund 2500 Mitarbeiter der US-Botschaft, darunter zahlreiche Männer des Geheimdiensts CIA, sorgen dafür, dass Ägypten nicht wieder gegen die Weltordnung aufbegehrt.
Westliche Demokratien bescheinigen dem Regime immer wieder Fortschritte bei vermeintlichen »politischen Reformen«, bis Mubaraks Volk den Massenaufstand beginnt. Erinnerungen an die ägyptische Revolution von 1952 werden wieder wachgerufen. Am 11. Februar 2011, als die Ägypter das Mubarak-Regime stürzen, zeigt das ägyptische Fernsehen überraschend eine große Dokumentation über Nasser, den Mann, der seinem Volk einst zugerufen hatte: »Ihr seid alle Gamal Abd al-Nasser!«
Mit Folter und Vorsicht
Die Baath-Partei in Syrien hält sich seit einem
halben Jahrhundert durch Gewalt an der Macht –
auch dank ihrer Geheimdienste.
Von Uwe Klußmann
Was der Absolvent der Pariser Sorbonne, Michel Aflak, 37, seinen jungen arabischen Zuhörern auf dem ersten Parteikongress in Damaskus im April 1947 predigt, klingt vielversprechend: Es geht um »Einheit«, um »Freiheit« und einen nichtmarxistischen »Sozialismus«.
Der Mitbegründer der Arabischen Sozialistischen Baath- (»Wiedergeburt«-) Partei,
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