Die neue arabische Welt
Königreich solche Geschenke leisten.
Doch was geschieht, wenn die Preise an den Rohstoffbörsen in New York oder London wieder fallen? Dann gelangt laut einer Rechnung des Institute of International Finance (IIF) in Washington selbst der märchenhaft reiche Wüstenstaat an die Grenzen seiner Möglichkeiten. Saudi-Arabien ist inzwischen auf einen Ölpreis von 88 Dollar je Barrel angewiesen, um Löcher in seinem Staatshaushalt zu vermeiden; 2015 werden schon 110 Dollar nötig sein, so die IIF-Prognose. Vor zehn Jahren genügten für ein ausgeglichenes Budget noch 20 bis 25 Dollar.
Es ist eine hochgefährliche Strategie, die die Rohstoffexporteure in den vergangenen Monaten eingeschlagen haben. Sie sind mehr denn je von hohen Ölpreisen abhängig, um die Prasserei der Oberschicht zu alimentieren und die Bevölkerung ruhigzustellen. Zugleich aber animiert jeder Dollar, den ein Barrel mehr kostet, die Verbraucherländer dazu, nach alternativen Energiequellen zu forschen.
In jedem Preisanstieg steckt schließlich der Keim des Niedergangs, weil die Abnehmer darauf reagieren, indem sie weniger konsumieren und damit den Preis drücken. So war es 1973, 1979, 1990 und auch 2008. Bislang folgte noch jeder Inflation der Ölpreise erst eine Rezession der Weltwirtschaft und darauf ein Einbruch der Rohstoffnotierungen.
Zudem übt heute die internationale Finanzwirtschaft fast ähnlich großen Einfluss auf die Ölpreise aus wie die Förderländer, zumindest kurzfristig: So wie die Spekulanten die Ölpreise in die Höhe treiben, können sie die Notierungen auch nach unten prügeln, weit unter das Preisniveau, das die Förderländer benötigen, um die Bevölkerung bei Laune zu halten. Gegen die geballte Finanzkraft der Hedgefonds haben auch die arabischen Ölminister keine Chance.
So bedroht heute vor allem die Sprunghaftigkeit der Preise die politische Stabilität in den arabischen Förderländern. Wird Öl wieder deutlich billiger – und dafür genügt die Nachricht einer Wachstumsdelle in China –, droht das gesamte System zu kollabieren. »Öl wird uns in den Ruin führen«, warnte der damalige venezolanische Ölminister Juan Pablo Pérez Alfonso schon in den siebziger Jahren, als die Preise Kapriolen schlugen: »Öl, das sind die Exkremente des Teufels.«
Auf Dauer, das ist ohnehin klar, können die Förderstaaten nicht abhängig bleiben von einem Stoff, den sie Tag um Tag, Stunde um Stunde dezimieren. Vielleicht lässt sich das Ende etwas hinauszögern, einige Jahre noch, im Fall von Saudi-Arabien wohl auch noch Jahrzehnte. Doch der Welt bleibt nichts anderes übrig, als loszukommen von der Droge Öl, schon aus ökologischen Gründen. Die Zeiten unbeschwerter Verschwendung sind vorbei. Und ebenso die Zeiten ungebremster Förderung.
Der härteste Entzug wird dabei den arabischen Potentaten bevorstehen. Mit Hilfe der kostbaren Bodenschätze haben sie ihr Übermorgenland aufgebaut, mit den teuersten Hotels, den größten Flughäfen, den höchsten Bürotürmen. Die Frage ist bloß, was davon übermorgen noch bleibt, wenn das Ölzeitalter vorüber ist.
Karawane der Menschheit
Gamal Abd al-Nasser propagierte den
Panarabismus. Er galt als Idol, bevor er
zum Diktator wurde. Sein Polizeistaat
stützte noch Husni Mubarak
und dessen korruptes Regime.
Von Uwe Klußmann
Wenn die irakische Schriftstellerin Alija Mamduh sich an ihre frühe Jugend erinnert, denkt sie an Abende in Bagdad, die erfüllt waren von der sinnlichen Stimme eines Mannes. Dessen Worte drangen aus dem Radio zu ihr. Gamal Abd al-Nasser hieß der Redner, Staatschef Ägyptens, mit dem sonoren Ton: »Seine Stimme hatte etwas von religiöser Hingabe«, so Mamduh, und: »Jedes seiner Worte fand Widerhall bei uns. Wir waren alle Nasseristen.« Andere wiederum warnten: »Jedes Transistorradio im Nahen Osten ist ein Nasser-Agent«, so das US-Magazin »Time« 1963.
Nasser war ein Politiker, der wenige gleichgültig ließ. Der Millionen Araber faszinierte, den Israelis hassten und Moskaus Mächtige schätzten. Er schuf das moderne Ägypten – als Polizeistaat.
Im Januar 1918 in Alexandria als Sohn eines Briefträgers geboren, lernt Nasser das Leben seiner Verwandten in Häusern aus ungebrannten Lehmziegeln kennen, ohne Strom und fließendes Wasser. Die Nassers leben wie die Masse der ägyptischen Bauern, die Fellachen. Als sein Vater nach Kairo versetzt wird, besucht Gamal dort eine Schule. Geschichte ist das Lieblingsfach des intelligenten, aber
Weitere Kostenlose Bücher