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Die neue arabische Welt

Die neue arabische Welt

Titel: Die neue arabische Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Großbongardt
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nur ein Denken: Geld. Sie vertiefte die soziale Kluft extrem, drehte Bildungschancen zurück.
    SPIEGEL: In Ihrem Roman »Der Jakubijân-Bau« schwärmt der Lebemann Saki Bey vom alten Kairo, das sei wie Europa gewesen, schön und sauber. Das klingt, als sehnten Sie sich danach zurück.
    ASWANI: Naja, Saki Bey ist ein Aristokrat, der fand eigentlich Paris am schönsten.
    SPIEGEL: Als Sie 1957 geboren wurden, war die ägyptische Republik, die auf den Sturz der Monarchie folgte, gerade fünf Jahre alt. Wie sah das Kairo Ihrer Kindheit aus? ASWANI: Es war eine wirklich kosmopolitische Metropole, die trotz der Diktatur kulturell blühte. Ich besuchte, wie das im Bürgertum üblich war, ein französisches Gymnasium. Da gab es Katholiken, die französischen Professoren, ägyptische Christen, die Kopten, Muslime, und wir hatten sogar zwei jüdische Mitschüler in der Klasse. Für alle feierten wir die religiösen Feste.
    SPIEGEL: Wie begann der Niedergang, endete die Weltoffenheit, für die das Ägypten der zwanziger Jahre bekannt war? ASWANI: Gamal Abd al-Nasser schuf auch gute Dinge, etwa in der Schulbildung, doch er begründete die Diktatur-Maschine
mit dem Sicherheitsstaat, der Zensur, all das, was sich bis unter Mubarak gehalten hat. Sadat, der danach an die Macht kam, fehlte das Charisma Nassers. Um die extrem starke ägyptische Linke zu kontern, machte er die Muslimbruderschaft stark. Und die Ölpreisexplosion nach dem Krieg gegen Israel 1973 verschaffte Saudi-Arabien ungeahnte Macht. Ihre Ölmilliarden nutzten die Saudis auch, um ihre Interpretation des Islam zu befördern.
    SPIEGEL: Wie unterscheidet die sich von der ägyptischen Version?
    ASWANI: Unser Religionsverständnis ist tolerant, seit Jahrhunderten. Jeder entscheidet für sich, wie er lebt. Hier haben Sie Kirche und Moschee. Es gibt Bars. Selbst während des Ramadan blieben sie früher geöffnet.
    SPIEGEL: Heute stimmt das allerdings nicht mehr.
    ASWANI: Aber es ist immer noch besser als in den Golfstaaten, dem haben wir uns widersetzt. Ägypten war immer ein Einwandererland, in Alexandria gibt es viele Menschen mit europäischen Wurzeln, jeder wurde akzeptiert.
    SPIEGEL: Wie kam es dann zu dem Bombenanschlag auf die koptische Kirche in Alexandria letzte Neujahrsnacht?
    ASWANI: Das war ein orchestrierter Angriff der alten Kräfte, sie wollten damit Mubarak stärken, dem Westen demonstrieren: Wir brauchen ihn, damit die Minderheiten geschützt werden. Der Verdacht richtet sich gegen den früheren Innenminister, es wird ermittelt.
    SPIEGEL: Die Bevölkerung, meinen Sie, hat nichts gegen Christen? Im Mai kam es aber erneut zu Gewalt gegen Kopten.
    ASWANI: Dahinter stecken Drahtzieher des alten Regimes, sie wissen, wie man die religiösen Empfindlichkeiten unseres Volkes aufpeitscht. Die Militärs wären gut beraten, sich die noch nicht gesäuberten Polizeiränge vorzunehmen. Aber im Februar auf dem Tahrir-Platz, das hätten Sie sehen
müssen, wurden christliche Messen gehalten vor den Gebeten der Muslime, und als die angeheuerten Schlägertrupps angriffen, stellten sich die Kopten vor die betenden Muslime, um sie zu schützen.
    SPIEGEL: In Europa ist die Furcht groß, die Islamisten könnten sich nun zu einer beherrschenden Kraft entwickeln. Wie stark und gefährlich ist die bisher unterdrückte Muslimbruderschaft?
    ASWANI: Sie ist zwar berüchtigt für Terroraktionen, aber die letzte fand vor über 40 Jahren statt. Ich glaube nicht, dass sie wieder zu Gewalt greifen wird. Ihr Einfluss wurde vom Mubarak-Regime übertrieben, um die diktatorische Politik zu rechtfertigen.
    SPIEGEL: Wie stark könnten die Islamisten bei den Wahlen werden?
    ASWANI: Gerade waren die ersten freien Studentenschaftswahlen: Die Muslimbrüder bekamen 12 Prozent, die Allianz der Revolution 65 Prozent. Deshalb glaube ich, dass sie auch bei Parlamentswahlen nicht allzu stark werden. Wir wissen allerdings noch nicht, ob die Organisation wieder einmal einen Deal mit den alten Kräften eingeht.
    SPIEGEL: Welche Rolle spielt die Religion überhaupt im neuen Ägypten? Sehen Sie keinen Konflikt zwischen liberalem Denken und religiösem Dogma?
    ASWANI: Ich kann mir nur ein säkulares Ägypten vorstellen. Die islamischen Parteien werden mit der Zeit vielleicht eine Rolle einnehmen wie die sehr konservativen Parteien in Europa. Ich lehne ihre Ideen ab, aber sie haben natürlich das Recht, ihre Meinung auszudrücken und eine eigene Partei zu bilden.
    SPIEGEL: Verträgt ein säkulares Ägypten aber

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