Die neue arabische Welt
Mitglied die Komoren. In der Satzung heißt es reichlich schwammig: »Das Hauptziel ist es, die Beziehungen zwischen den Staaten anzunähern und die Zusammenarbeit zwischen ihnen zu koordinieren, ihre Unabhängigkeit und Souveränität zu sichern und in allgemeiner Weise die Geschicke und Interessen der arabischen Länder zu fördern.«
Auch wenn dieser Willenserklärung 1950 noch ein schriftliches Versprechen über eine »Kooperation in Verteidigungs-und Wirtschaftsfragen« sowie gutgemeinte Kampagnen etwa zur Alphabetisierung und Verbrechensbekämpfung folgten, ist die Crux der Liga doch klar erkennbar. Kein Mitgliedstaat denkt auch nur daran, nationalstaatliche Kompetenzen abzugeben – die »gemeinsame arabische Sache« bleibt weitestgehend ein Lippenbekenntnis. Kennzeichnend dafür: Entscheidungen des »Ligarats« sind bindend nur für den, der im Gremium auch zugestimmt hat.
Von Anfang an bildet die Feindschaft zu Israel den Kitt für die Gemeinschaft. Ein Wirtschaftsembargo gegen den Judenstaat gehört zu den wenigen einstimmig gefassten Beschlüssen. Militärisch unterliegen die arabischen Staaten 1948/49 wie im Sechstagekrieg 1967. Aber nichts trifft die Mehrheit der Mitglieder so ins Mark wie der überraschende Friedensschluss des ägyptischen Präsidenten Anwar al-Sadat 1979 mit Israel. Ägypten wird sofort aus der Liga ausgeschlossen.
Es dauert ein Jahrzehnt, bis das bevölkerungsreichste Land Arabiens wieder aufgenommen wird und das Hauptquartier an den Nil zurückkehrt. Wie tief gespalten die Gemeinschaft ist, zeigt sich schon ein Jahr später wieder, als das Mitglied Irak das Mitglied Kuwait überfällt: Nur eine knappe Mehrheit verurteilt die Invasion.
Doch dann folgt auf den glücklosen ägyptischen Diplomaten Ismat Abd al-Magid 2001 als neuer Generalsekretär Amr Mussa; ein Volkstribun, der in ganz Arabien sogar in einem Schlagertext gefeiert wird. Mussa geht der Ruf eines Reformers voraus. Ganz Kairo ist überzeugt davon, Präsident Husni Mubarak habe den populären Außenminister weggelobt, um einen Konkurrenten loszuwerden. Tatsächlich bringt der Weltmann – er hat in Kairo Rechtswissenschaft studiert und in Paris promoviert, in der Schweiz wie bei der Uno als Botschafter gearbeitet – anfangs etwas frischen Wind in die verstaubte Organisation. Doch bald schon scheitert sein Kampf gegen die Bürokratie, Mussa verfällt in die Gewohnheit seiner Vorgänger, persönliche Günstlinge auf wichtige Positionen zu heben.
Er bemüht sich immerhin um eine bessere Koordination der Mitglieder, immer auf der Suche nach außenpolitischen Kompromissen. Beim Gipfeltreffen in Beirut 2002 gelingt es ihm, dass die Mitglieder, trotz großer Bedenken
der »revolutionären« Staaten, einen weitreichenden saudi-arabischen Friedensplan bewilligen: Der verspricht, im Gegenzug für Israels vollständigen Rückzug aus den 1967 besetzten Gebieten, die Anerkennung des jüdischen Staates durch die Arabische Liga.
Als Anfang 2003 eine US-geführte Koalition Saddam Husseins Irak angreift, hilft auch Mussas Verhandlungsgeschick nicht mehr. Die Risse in der Organisation sind tiefer denn je: Kuwait, Katar und Bahrain stellen ihr Territorium für den Aufmarsch zur Verfügung, andere Mitglieder wie Syrien und Libyen sind an der Seite Saddams und rufen Verrat, eine Mehrheit ringt hilflos um Worte. Die Wahrheit ist: Niemanden interessiert die Meinung der zerstrittenen, zahnlosen Arabischen Liga.
Beim arabischen Gipfel im Oktober 2010 lehnt sich Libyens Staatschef Gaddafi feixend auf den jemenitischen Präsidenten Ali Abdullah Salih (l.) und Ägyptens Husni Mubarak (r.).
Für Schlagzeilen sorgen nur die radikalen arabischen Führer, zuvorderst Oberst Gaddafi, der exzentrische, brutale »Bruder Nummer eins« aus Libyen. Im März 2003 wirft Gaddafi dem damaligen saudischen Kronprinzen Abdullah vor, einen »Pakt mit dem Teufel« einzugehen. Kurze Zeit später soll es ein Mordkomplott gegen Abdullah gegeben haben, dessen Spuren angeblich zum libyschen Geheimdienst führten.
Bei der alljährlichen arabischen Seifenoper, 2009 ist Doha an der Reihe, setzt er dann noch eins drauf. Als Katars Emir verkündet, der saudische König werde die Region beim G-20-Gipfeltreffen vertreten, unterbricht Gaddafi den Gastgeber rüde und beansprucht die Rolle des Gipfel-Gesandten für sich. Den Hüter der heiligen Stätten von Mekka und Medina beleidigt er unflätig: »Abdullah lügt und lügt, sein Grab ist schon geschaufelt und steht weit
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