Die neue arabische Welt
Internationalen Schulen in Dubai muss den einheimischen Schülern erst beigebracht werden, dass man seine Schultasche auch selbst tragen kann.
Die Enkelgeneration in Dubai und Abu Dhabi scheint vor allem das Problem zu haben, die eigenen Blutzuckerwerte unter Kontrolle zu bekommen. Die VAE haben nach der Pazifikinsel Nauru die höchste Diabetes-Rate der Welt, jedes dritte Kind ist übergewichtig. »Nicht jeder ist wohlhabend. Aber sie sehen nicht, dass man für ein Luxusauto vielleicht hart arbeiten muss«, sagt Frauke Heard-Bey, eine der besten Kennerinnen der Vereinigten Emirate.
Die bequemen Pöstchen in Militär, Polizei, Verwaltung, wo Einheimische 90 Prozent der leitenden Stellen bekleiden, sind vergeben. Viele Firmen vermeiden es, Einheimische einzustellen. Sie gelten als faul, zu teuer und wenig belastbar. 13 Prozent der einheimischen Bevölkerung sind bereits arbeitslos. In den Golfstaaten gibt es »Emiratisierungs-«, »Bahrainisierungs-« und »Katarisierungs-Programme«, um die Quote der Einheimischen im Arbeitsleben nicht unter die Nachweisgrenze sinken zu lassen. Insgeheim herrscht die Furcht, die Region an die Expats zu verlieren. Die zweite und dritte Generation der Inder und Iraner hat besser gelernt, ist polyglotter und ehrgeiziger als ihre einheimischen Altersgenossen.
Ausländer können zwar in bestimmten Zonen eine Wohnung kaufen, haben damit aber keinen Anspruch auf Aufenthalt. Sie sind zumindest in den ersten beiden Jahren
vollkommen abhängig von ihrem »Sponsor«, einem Einheimischen, der für sie bürgt und sich das gut bezahlen lässt. Wenn der Sponsor es nicht will, kann der Betreffende keine neue Arbeit annehmen. Wer keine Arbeit findet, bekommt sein Visum nicht verlängert und muss Dubai verlassen. Es gibt keinerlei Sozialsysteme für die Expats, keine Rentenansprüche, kein Anrecht auf Eigentum an Boden. Bleiberecht und Rechtssicherheit sind in den Golfstaaten praktisch inexistent.
Eine Gesellschaft, die glaubt, auf Grundrechte verzichten zu können, wird keine Zukunft haben. Was fehlt, ist Demokratie. Das ist die Herausforderung, und keiner kann sie den Scheichs abnehmen. Dubai kann nur ein Modell für die arabische Welt werden, wenn die Nichtaraber integriert werden. Katar überlegt derzeit, zumindest den hochqualifizierten Ausländern ein dauerhaftes Bleiberecht zu geben.
»Natürlich besteht die Möglichkeit, dass Dubai in 50 Jahren nicht mehr existiert«, sagte der Architekturprofessor Michael Schwarz kürzlich bei einem Symposium in Berlin. Diejenigen, die Dubai aus dem Sand gestampft haben, könnten dann weitergezogen sein, nach Lagos oder Khartum. »Anders als New York oder London ist Dubai zu einem extrem großen Teil von der Globalisierung abhängig«, sagt Schwarz.
Es gibt »The Line«, ein Videogame, das genau dieses Szenario durchspielt. Der Sand hat sich den Ort zurückgeholt, die Architektur-Ikonen der Scheich-Zayed-Road sind Ruinen geworden, die Karawane ist weitergezogen. Das Spiel wurde in Dubai auf den Index gesetzt.
Das Märchen vom guten Sultan
Der Oman wird feudalistisch regiert, trotzdem
verehrt das Volk seinen Herrscher. Der modernisiert
sein Land, sträubt sich aber gegen Reformen. Selbst
moderate Forderungen finden kaum Gehör.
Von Juliane von Mittelstaedt
Man muss diese Geschichte vielleicht zweimal erzählen. Die erste ist die von einem Land wie aus dem Märchenbuch, mit Traumstränden, Weihrauchbäumen und einem Herrscher, der aussieht wie ein Weiser aus dem Morgenland. Ein Hort des Friedens zwischen dem Jemen, Saudi-Arabien und Iran, ein Vorbild geglückter Modernisierung ohne Tyrannei, Terror und Größenwahn.
Die zweite Geschichte handelt vom dienstältesten Herrscher der arabischen Welt, in dessen Reich nur wenig erlaubt ist, was nach Demokratie klingt: Die Gründung von Gewerkschaften wird erschwert, Parteien sind verboten wie auch seit kurzem das Wort »Reform«.
Beide Geschichten spielen im gleichen Land: dem Sultanat Oman.
Die Reise in den glücklichen Oman führt vom Flughafen hinein nach Maskat, der Hauptstadt. Das Taxi gleitet vorbei an Shoppingmalls, Villenvierteln, Luxushotels und der Moschee, die der Sultan seinem Volk errichtet hat, inklusive Fußbodenkühlung und dem größten Perserteppich der Welt.
Das Land, das man hier besichtigen kann, ist eines der am wenigsten repressiven der arabischen Welt. Es wird
regiert von Sultan Kabus Bin Said, einem Mann, der Laute spielt und von seinem Volk geachtet wird. Er lässt
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