Die neue arabische Welt
Dubai World und ihr Bau-Tochterunternehmen Nakheel vorübergehend ihre Kredite nicht bedienen konnten. Bauprojekte wurden gestoppt, Expats und Investoren verließen scharenweise die Stadt, und wer sich nur auf Zeitungslektüre verließ, musste den Eindruck bekommen, Dubai sei klinisch tot.
Die Schadenfreude war nicht zu überhören. Plötzlich wurde die dunkle Seite des Glamours beschrieben, als sei Dubai ein neues Babylon, errichtet in Rekordzeit und auf Pump, erbaut auf den Trümmern von Korallenriffen und auf den zerschundenen Knochen der Billigarbeiter aus Südindien.
Das Dubai-Bashing ist so unangebracht wie der Dubai-Taumel zuvor. Das Emirat hat sich von der Krise schnell erholt. Lediglich der Hype ist vorbei, die auf Pump finanzierte Hybris des »Alles-ist-möglich«. Es wird besser gerechnet. »Sustainability« ist das Codewort, was die PR-Berater ihren Fürsten jetzt in die Reden schreiben, auch wenn es erst mal nur ein Wort ist.
Die Zukunftsgewissheit aber wurde keinen Moment erschüttert: »Während die Welt in der Rezession dahinsiechte, machte Dubai keinen Moment Pause und baute einen Flughafen und ein gewaltiges Logistiknetz«, sagt Jim Krane. Vom arabischen Frühling 2011 profitiert das Emirat. Wer sein Geld in Sicherheit bringen will, der schafft es nach Dubai.
Von der Anhäufung »symbolischen Kapitals« sprach der Soziologe Pierre Bourdieu. Er meint damit ein Phänomen, das bei Neureichen anzutreffen ist. Nachdem ihre Garagen
bestückt sind und sie die Kinder auf Elite-Internaten untergebracht haben, fangen sie an, großformatige Kunst zu sammeln. Das gilt auch für neureiche Staaten.
Es gibt kein anderes arabisches Land, in dem so viel Kultur veranstaltet wird wie in den Emiraten am Golf. Das weitgehend unbekannte Kleinstemirat Schardscha verfügt über 16 Museen und eine ernstzunehmende Kunstbiennale. Es gibt eine jährliche Buchmesse in Abu Dhabi, die nach Frankfurter Vorbild organisiert wird. Im Luxushotel Emirates Palace wechseln sich Berliner Philharmoniker und das Amsterdamer Concertgebouw-Orchester auf der Bühne der »Abu Dhabi Classics« ab. Dubai hat seine Kunstmesse, Abu Dhabi ebenso. Außerdem Filmfestivals, World-Music-Konzerte an der Corniche.
Abu Dhabi, der reiche, leicht snobistische Vetter im Süden, hat über die Megalomanie der Scheichs von Dubai immer die Nase gerümpft. Und war doch tief gekränkt, wenn Bill Clinton und George W. Bush sich von Scheich Mohammed Raschid Al Maktum durch sein Glitzerreich fahren ließen und Abu Dhabi für eine Art Vorort hielten. Die Söhne des alten Scheichs Sajid sind derzeit in Abu Dhabi dabei, Dubai den Rang abzulaufen. Hier gibt es einen Urbanistikplan »Abu Dhabi 2030«, der mehr oder weniger abgearbeitet wird. Hier der Fischereihafen, dort die Marina, hier die »Labour Camps« für die Arbeiter, dort die Regierungsstadt und da die »Ferrari World« mit angeschlossenem Formel-1-Circuit.
Auf Saadijat-Island stehen bereits die Fundamente für den größten Museumsbezirk der Welt. Jean Nouvel baut hier einen Abu Dhabi Louvre, Zaha Hadid ein Performing Arts Center, Lord Norman Foster ein Scheich Sajid Nationalmuseum. Und Frank Gehry ein neues Guggenheim, das laut Bauherren-Vorgabe mindestens so spektakulär sein soll wie das in Bilbao und zwölfmal größer als das Original in New
York. Allein für die Leihgaben und die Nutzung des Namens des Louvre werden bis 2038 nach Paris 400 Millionen Euro überwiesen. In der Stadt Abu Dhabi gab es vor Guggenheim kein einziges Museum. Es ist ein zivilisatorischer Quantensprung, ein Kulturschock in einer Gesellschaft, die noch vor wenigen Jahrzehnten aus großteils analphabetischen Nomadenstämmen bestand.
In Katar wurde Ende 2008 das Museum für Islamische Kunst eröffnet, in einem Bau des amerikanischen Stararchitekten I. M. Pei. Die über 6000 Exponate der »Mathaf«-Sammlung für zeitgenössische arabische Kunst hat Scheich Hassan Bin Mohammed Al Thani, ein Mitglied des Herrscherhauses, auf dem internationalen Kunstmarkt zusammengekauft. Aber haben es die Renaissance-Fürsten in Florenz und Siena seinerzeit anders gemacht?
Problematischer ist das vorherrschende Gefühl der Leere bei den meisten dieser Kulturveranstaltungen. Ein Kulturdistrikt macht noch keine kreative Stadt. Es ist eine Sammlung von Meisterwerken – in einer Wüste kultureller Produktion.
Die gefragten Künstler bei den »Art Dubai«-Events kommen fast ausschließlich aus Damaskus, Kairo, Beirut oder der arabischen Diaspora.
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