Die neue arabische Welt
Medien, berät Frauen, die bei den Wahlen für das Unterhaus, ein Gremium mit ausschließlich beratender Funktion, kandidieren wollen. Langsam will Haribi eine Zivilgesellschaft aufbauen, innerhalb der Grenzen des Systems. »Bei sensiblen Themen halten wir uns zurück und vermeiden Konfrontationen«, erläutert Haribi seine Strategie.
Wie die meisten Männer im Oman trägt er eine weiße Dischdascha, eine bestickte Kappe, die Kumma, und darüber ein zum Turban gebundenes Tuch. Aber er spricht Englisch mit amerikanischem Akzent, er hat in West Virginia Politikwissenschaft studiert, ein Fach, das es in seiner Heimat nicht gibt. »Die Regierung hat Angst, aus Vereinigungen wie Tawasul könnten Parteien werden.«
Haribi glaubt, dass der Herrscher eine Öffnung wolle, aber er sehe eben das Risiko. »Deshalb will er den Wandel über Jahrzehnte herbeiführen, nicht so sprunghaft.« Sicherheit und Stabilität, das sei das Wichtigste für Kabus. »Wir müssen ihn zu Reformen überreden, Schritt für Schritt.« Viele jugendliche Demonstranten glaubten, Wandel komme nur durch Druck zustande, wie in Tunesien und Ägypten. »Aber gibt es im Oman diese Massen, die aufstehen?« Haribi schüttelt den Kopf. »Nein, die meisten Omaner verehren den Sultan noch immer. Ich auch.«
Die Reise in den anderen Oman beginnt in Chasab, im äußersten Norden, dort, wo Iran nur rund 50 Kilometer entfernt ist. Ein Mann in Uniform bittet höflich in die Polizeiwache
und sagt, er habe da einige Fragen. Er stellt sich vor als Angehöriger des Geheimdienstes CID.
»Verstehen Sie mich nicht falsch«, sagt der Mann. »Das ist hier keine Polizeiwache, das ist nur ein Ort, an dem ich mit Ihnen reden kann, wie ein Bruder zu seiner Schwester.« Die omanischen Behörden mögen es nicht, wenn Journalisten über die iranischen Schmuggler berichten, die jeden Tag Kleidung, Säfte und Satellitenempfänger über die Meerenge nach Iran transportieren. Aber so sagt es der Mann nicht. Er sagt: »Sprechen Sie nicht mit den armen und dummen Menschen auf der Straße, die erzählen Ihnen nur falsche Sachen.« Natürlich sei das kein Befehl, nur eine Empfehlung, und er würde zudem raten, so schnell wie möglich abzureisen.
Nach zwei Stunden ist die Befragung beendet, es ist eine Warnung, wie sie in diesen Wochen viele im Land erhalten haben: Journalisten, Demonstranten, Abgeordnete. Der Geheimdienst operiert unauffällig, man bemerkt ihn normalerweise nur, wenn YouTube-Videos sich nicht öffnen lassen oder Websites plötzlich blockiert sind.
Dieser andere Oman ist zusammen mit Saudi-Arabien das am wenigsten demokratische Land der ganzen Region. Es gibt so gut wie keine Mitbestimmung, das Land wird regiert mit Dekreten des Herrschers, der alles zugleich ist: Minister für Außenpolitik, Verteidigung und Finanzen, außerdem Premier und Chef der Zentralbank. Der Sultan fördert weltweit Lehrstühle für Dialog und Frieden, aber kein Land der Welt gibt, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, mehr Geld für sein Militär aus als der Oman.
Mitte Januar gingen die ersten Demonstranten auf die Straße. Eine Chefredakteurin erzählt, man habe sie vorher angerufen und gewarnt, sie solle nicht darüber berichten. Seit dem 28. Februar hat sich das geändert, es war der
Tag, an dem die Zeitungen das erste Bild von den Protesten druckten. Seitdem demonstriert die Jugend, Arbeiter begannen wild zu streiken, und in Salala, der Hauptstadt der Region Dhofar, ertönte bereits der Schlachtruf der Revolution: Das Volk will den Sturz des Regimes.
Die Reise in diesen Oman führt von Chasab nach Suhar, wo die Proteste bisher am heftigsten waren, auch wenn heftig im Oman etwas anderes bedeutet als in Syrien, Ägypten oder Bahrain.
Es war Ende Februar, als Abd al-Ghaffar al-Schisawi, Doktor der Arabischen Sprache, zu dem Kreisverkehr in Suhar ging, auf dem sich etwa 3000 Protestierer versammelt hatten. Er wollte vermitteln und schrieb ihre Forderungen auf, er kam auf 38 Punkte. Mehr Geld, mehr Freiheit, weniger Korruption – das, was alle Demonstranten von Rabat bis Sanaa fordern. Dann traf Schisawi einen Abgesandten des Sultans, der versprach, die Liste zu überbringen.
Einen Monat später, um drei Uhr nachts, standen Polizisten vor Schisawis Haustür, sie traten und schlugen ihn, dann zogen sie ihm eine Tüte über den Kopf und nahmen ihn mit. Mehreren Hundert Demonstranten erging es ähnlich in dieser Nacht. 13 Tage lang wurden sie festgehalten und verhört. Dann ließ man sie wieder
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