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Die neue arabische Welt

Die neue arabische Welt

Titel: Die neue arabische Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Großbongardt
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Die Zahl einheimischer Besucher bei einem Konzert der Philharmoniker lässt sich an zwei Händen abzählen. Ausstellungen werden ebenfalls von Expats besucht. Das wichtigste Kulturereignis in Abu Dhabi ist nach wie vor das »Dattelfestival« in der Oase Liwa. Wer soll auf all diesen Golfplätzen spielen? Wer wird die Museen, die Fünf-Sterne-Hotels im Dutzend besuchen, die Malls leerkaufen? Wer wird nach Abu Dhabi statt nach Paris fliegen, wenn er in den Louvre will?
    Niemand – wenn die Welt hinter Dubai enden würde. Aber sie fängt am Golf erst an. China, Indien, Iran, die zentralasiatischen
Republiken warten vielleicht nur darauf, ihren Wintern, ihrer Ödnis zu entkommen, um eine Woche lang pauschal »Ferrari World & Luxusshopping & Resort & Guggenheim« zu buchen. Diese Boom-Kontinente liegen nur wenige Flugstunden entfernt, ihre gerade zu Wohlstand kommenden Bewohner sind die Klientel.
    »Natürlich birgt jeder Neubau eines Museums das Risiko, sein Publikum nicht zu finden. Aber man muss es wagen«, sagt Manal Ataja, die junge Museumschefin in Schardscha. »Früher musste man ins Ausland fahren, um etwas zu sehen. Jetzt gibt es jeden Tag eine Vernissage in Dubai.« Und die Nachfrage nach Kunst und Kultur werde weiter zunehmen. Solange nur genug gegossen wird. Es ist die Wette von Scheich Sajid. Ob sie gelingt, hängt allerdings nicht von Frank Gehry ab.
    Dubai, Katar, Abu Dhabi sind globale Städte, in denen Dutzende von Nationalitäten ohne größere Konflikte miteinander leben. 180 sind es in Dubai. Der Taxifahrer kommt aus Peschawar, hört dröhnende Koransuren und sieht aus, als trainiere er für den »Bin-Laden-Look-alike«-Wettbewerb. Aber er spricht neben Urdu und Paschtu auch ausreichend Hindi, Arabisch und Englisch und führt nebenbei ein Unternehmen für Transporte aller Art.
    New York gilt als kosmopolitische Stadt, weil dort 40 Prozent der Bevölkerung aus dem Ausland kommen. In Dubai sind es mehr als doppelt so viele. Die Stadt besteht aus Clustern, ihre Bewohner sind großteils Nomaden, die keine Chance haben, ein Bleiberecht zu bekommen. Sie sind wie die Nanny eines reichen Kindes. Sobald der Kleine groß ist, muss sie gehen.
    Das Phantastische an Dubai sind nicht die Gebäude, nicht das süße Leben der Expats. Das Großartige sind die Zwischenräume, in denen sich die Weltnomaden eingerichtet
haben. Die Typing Offices und Garküchen, die Netzwerke der Handlanger, Fischer, Mechaniker, IT-Experten. In Vierteln wie Sahwa drängeln sich Ukrainer, Afghanen, Jemeniten, Malaien an den Electronic-Shops, Galerien und Supermärkten vorbei, hier sind die Straßen, wo Dubai ein wenig von der Lower East Side hat.
    Die Männer aus Kerala, Bangladesch und Peschawar, die Dubai gebaut haben, werden jeden Abend in Bussen in ihre Lager gekarrt, so erschöpft von der 12-Stunden-Schicht, dass ihre in Tücher gehüllten Köpfe gegen die Scheiben schlagen. Früher wurden sie in Viehwaggons transportiert. Hunderte haben ihr Leben für die Türme Dubais gelassen, sind in der Höllenhitze von Gerüsten gestürzt und irgendwo verscharrt worden.
    Für sie hat keiner geplant, also haben sie sich selbst Orte genommen. Wo es keine Plätze gibt, werden Busbahnhöfe zur Piazza. In den Malls haben sie nichts zu suchen. Sie haben ethnische Zonen geschaffen, verborgene Städte. Das sind Brutplätze, für Illegales aller Art natürlich, für Alkoholbrenner, Geldwäscher, Drogen- und Mädchenhändler. Aber es sind auch diese Zonen, jenseits staatlicher Präsenz und ständig in Bewegung, wo Kunst entstehen kann, Literatur, Innovation, Musik, Mode.
    Auf die eigene Jugend ist in dieser Beziehung nur bedingt Verlass. Anderswo ist die junge Generation die Hoffnung. In den Emiraten ist sie ein mittlerer Alptraum. Wo anderswo Halbstarke in tiefergelegten Golfs herumknattern, cruist der (männliche) Nachwuchs in Abu Dhabi mit elfenbeinweißen Porsches herum, in Maseratis, Jetskis oder Yachten. Ist das die Generation der »Löwen«, der allseitig einsetzbaren Super-Leader, von denen Scheich Mohammed träumte?
    Es ist eine Generation von strukturellen Lottogewinnern, die von Geburt an wissen, dass sie sich um nichts
bemühen müssen, um sorgenfrei zu leben. Die Arbeit machen die anderen. Mit 18 Jahren bekommt jeder Bürger der Emirate ein Stück Land und einen Kredit, um sich ein Haus zu bauen – und es teuer an Expats zu vermieten. Strom und Wasser sind umsonst, Gesundheitssystem und Ausbildung bis zum Ph. D. ebenfalls. In den

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