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Die neue Historia des Dr. Faustus 02 - Der Traumvater

Titel: Die neue Historia des Dr. Faustus 02 - Der Traumvater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Sie mußte mich gehört haben und trat nun auf mich zu, legte fragend den Kopf ein wenig schräg.
    Einen Herzschlag später verblaßten die Glutaugen, und etwas entfernte sich mit knisternden Schritten im Unterholz.
    Angelina folgte meinem Blick, doch es war zu spät. Es gab nichts mehr zu sehen.
    »Mephisto«, raunte ich ihr zu. »Er ist ganz in der Nähe.«
    Es gab vielerlei Gerüchte über den schwarzen Hund meines Meisters. Die einen sagten, er sei gar kein Tier, sondern ein mächtiger Dämon, der nur die Gestalt eines Hundes angenommen hatte. Andere behaupteten, Mephistos Fell wechselte die Farbe, wenn Faustus ihm die Hand auflegte. Ich selbst hielt all das für Gewäsch, denn Mephisto zeigte sich niemandem außer Faustus selbst. Und obgleich ich meine Angst vor ihm allmählich überwunden hatte, so blieb doch stets ein vages Gefühl der Beunruhigung, wenn er mich aus der Dunkelheit anstarrte. Alles, was ich in den vergangenen Wochen von ihm hatte sehen dürfen, waren seine rotlodernden Augen gewesen, nichts sonst. Faustus behauptete zudem, er könne sich im Geiste mit Mephisto unterhalten, und mindestens einmal hatte uns dessen Warnung das Leben gerettet – zumindest, falls Faustus die Wahrheit sprach. Denn manchmal waren derlei Aussprüche aus seinem Mund mit Vorsicht zu genießen, da er seine Aura des Magischen auch mit unlauteren Mitteln pflegte.
    Mephisto folgte meinem Meister überall hin, wenngleich er sich am Tage außer Sichtweite hielt. Nur bei Nacht pirschte er sich gelegentlich in unsere Nähe. Dann glühten seine Augen im Schatten und erinnerten Faustus an etwas, über das er nicht sprach. Mit niemandem.
    Angelina hob die Schultern und gab mir mit einem Wink zu verstehen, ihr ins Innere zu folgen.
    Ich zögerte und drehte mich noch einmal zu Faustus um. Er aber war längst verschwunden.
    Im Haupthaus erloschen die Lichter.

Kapitel 2
    Vielleicht hatte ein Windstoß die Kerzen ausgeweht. Oder die übrigen Gäste, wer immer sie sein mochten, hatten nur auf Faustus gewartet, um sich nun in einen anderen Teil des Schlosses zurückzuziehen. Es mußte wirklich nichts bedeuten.
    Und doch – meine Angst um den Meister blieb. Ich ahnte, daß etwas nicht stimmte. Es war mehr als eine innere Unruhe. Ich spürte die Bedrohung, die von diesem Gemäuer und seiner fremdartigen Umgebung ausging, und da war etwas, das mir zuraunte, so schnell wie möglich das Weite zu suchen.
    Die Anordnung meines Meisters war deutlich gewesen. Warten, bis er zurückkehrt. Ich war nicht sicher, wie lange ich mich daran halten würde.
    Auch Angelina hatte die Veränderung im Schloß bemerkt. Ihre zarte Hand legte sich auf meinen Arm und zog mich mit sich durch die Tür des Gästehauses. Im Inneren war es weit düsterer als im Freien, und wir brauchten eine Ewigkeit, ehe es uns gelang, mit unseren Utensilien ein Feuer zu entfachen. Wir zerschlugen einen alten Stuhl, umwickelten seine gedrechselten Beine mit dem Stoff eines vermoderten Vorhangs und benutzten sie als Fackeln. Eine brachten wir neben der Tür an, je eine nahmen wir selbst zur Hand. Damit begannen wir unsere Erkundung.
    Das Haus besaß zwei Stockwerke. Im unteren befanden sich neben der winzigen Eingangshalle vier Zimmer. Sie alle standen leer, bis auf ein paar zertrümmerte Bettgestelle, einige Stühle und hier und da eine verstaubte Kiste. Als wir die Stufen nach oben stiegen, sprang uns eine pechschwarze Katze entgegen, streifte mit ihren Krallen meinen Arm und verschwand kreischend im Freien.
    »Das bringt Unglück«, sagte ich im Spaß, doch mir war klar, wie halbherzig mein Lächeln wirkte.
    Oben erwartete uns die gleiche Anzahl von Räumen, ebenso aufgeteilt und ähnlich heruntergekommen. Die Betten waren alle verfallen und nicht mehr zu benutzen. Wir suchten uns daher eine Kammer, deren glasloses Fenster zum Haupthaus wies, und blickten von dort aus nach draußen.
    »Glaubst du, daß es hier wirklich Schlangen gibt?« fragte ich und stützte mich mit beiden Händen auf die Fensterkante.
    Angelina nickte und deutete mit ausgestrecktem Zeigefinger auf eine Stelle am Boden vor dem Haus. Im Mondlicht wanden sich zwei schimmernde Blindschleichen.
    »Die sind nicht giftig«, sagte ich erleichtert.
    Angelina schüttelte den Kopf, griff in mein Haar und zwang meinen Blick mit sanftem Druck in eine andere Richtung. Was ich dort sah, brachte mein Herz fast zum Stillstand.
    Eine Schlange, etwa fünfmal so dick und viermal so lang wie die Blindschleichen, lag

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