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Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger

Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger

Titel: Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Stück Aas. Jetzt sah ich auch die Ratten, die durch das Wasser paddelten, mit schnellen, zuckenden Bewegungen.
    »Und dieser Filius liegt irgendwo da unten?«
    Zeeman nickte. »Hier, in diese Grube haben sie ihn geworfen.« Er stockte, als ihm augenscheinlich ein Gedanke kam. »Du hast doch nicht vor, dir die Leiche genauer anzuschauen?«
    Eilig schüttelte ich den Kopf. »Um nichts in der Welt.«
    »Dann, Freund, heißt das wohl, dass du dich auf mein Wort verlässt?«
    »Das muss ich wohl.« Als ich ihn ansah, bemerkte ich, dass er mir die Hand entgegenstreckte. Freund, hatte er mich genannt. Fest packte ich seine Hand und schüttelte sie.
    »Freund«, bestätigte ich mit einem Lächeln.
    Als er mich losließ und sich gerade umwenden wollte, um den Dreckhügel wieder hinaufzusteigen, fiel ihm etwas ein. »Sag mal, der Kerl war aus Rom, wenn mich nicht alles täuscht. Wie ist deine Schwester an ihn geraten?«
    Ich schluckte. Normalerweise war ich nie verlegen um Ausreden aller Art, doch in diesem Moment ließ mich mein Einfallsreichtum im Stich. Ob es daran lag, dass mich der Holländer zum Freund erkoren hatte, oder einfach nur an dem furchtbaren Eindruck, den die Massengräber bei mir hinterlassen hatten – ich weiß es nicht.
    Er wartete auf eine Antwort, nicht so argwöhnisch wie zuvor, aber durchaus neugierig. Er würde sich nicht mit meinem Schweigen zufrieden geben.
    Im selben Moment aber ertönte ein Prasseln. Erdklumpe rollten den Hügel hinunter, hüpften über die Kante der Grube und klatschten weiter unten ins Wasser.
    Zeeman und ich wirbelten herum.
    Oben auf dem Hügel, nur wenige Schritte entfernt, stand eine Gestalt. Einen Augenblick später gesellte sich eine zweite hinzu.
    Ich wollte grüßen und davongehen, aber Zeeman hielt mich an der Schulter zurück und legte einen Finger an seine Lippen.
    »Sie haben uns noch nicht gesehen«, flüsterte er atemlos und ging langsam in die Hocke, um die beiden Gestalten auf dem Erdhügel nicht durch eine rasche Bewegung auf uns aufmerksam zu machen. Ein wenig verwirrt tat ich es ihm gleich.
    Die beiden trugen bodenlange dunkle Gewänder und hatten weite Kapuzen über ihre Köpfe geschlagen, deren Öffnungen so groß und schwarz waren wie die Mäuler zweier Riesenfische. Mönche, dachte ich im ersten Moment, doch ich konnte spüren, dass dies keine gewöhnlichen Geistlichen waren. Sie sahen einander an und schienen miteinander zu tuscheln, zu leise, als dass ich etwas hätte verstehen können. Falls sie sich zu den Leichengruben umdrehten, mussten sie uns unweigerlich entdecken, aber noch waren sie zu sehr vertieft in ihr zischelndes Flüstern, um Zeeman und mich wahrzunehmen.
    Es dauerte nicht lange, da tauchten sie wieder hinter dem Hügel unter. Ihre Schritte waren nahezu lautlos. Selbst als wir die beiden nicht mehr sehen konnten, war ich noch nicht sicher, dass sie tatsächlich fort waren.
    Zeeman richtete sich langsam auf. »Hin und wieder sieht man einen oder zwei von ihnen im Dunkeln über den Bauplatz streifen«, flüsterte er schaudernd. »Sie sprechen nur miteinander, und nur auf Lateinisch. Die Männer gehen ihnen aus dem Weg. Manche sagen, es sind die Geister der früheren Päpste, die bei Nacht über die Arbeiten wachen.«
    Ich wusste es besser.
    Als sich die beiden abgewandt hatten, war Mondschein unter die Kapuze des einen gefallen und hatte seine Züge und sein Haar beschienen.
    Weiße Züge. Weißes Haar.
    Es waren Eluciderii. Erleuchtete.
    Borgia-Engel wie Angelina.
     
    Krähen kreisten um die Giebel des Papstpalastes. Einige ließen sich auf dem Dach des klotzigen Turmes nieder, den einst Innozenz III. hatte erbauen lassen und der eindrucksvoll die Residenz des Heiligen Vaters überragte. Es gab auch Tauben, eine Unzahl davon, und Faustus entdeckte sogar eine verirrte Möwe, als er etwa zehn Schritte vor dem Portal verharrte und zum Himmel blickte. Er fand es auf amüsante Art beruhigend, dass selbst hier, so nah beim Stellvertreter Gottes auf Erden, der Himmel nicht anders aussah als anderswo.
    Die Dämmerung war angebrochen, und bald würden sich die Vögel zurückziehen und den Fledermäusen die Nacht überlassen. Faustus bewunderte die Fledermäuse; sie gingen blind durchs Leben und fanden doch stets den rechten Weg. Das ist mehr, dachte er, als wir Menschen von uns behaupten können.
    In der Tat, mein Meister war in trüber Stimmung. Während ich an Zeemans Seite den Bauplatz erkundete, war Faustus aufgebrochen, um eine Nachricht zu

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