Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger
überbringen. Erst viel, viel später erzählte er mir von seinen Zweifeln im Angesicht des Palastes, von der Unruhe, die ihn gepackt hielt, als er sich langsam den uniformierten Wächtern am Eingang näherte.
Die Ansammlung von klobigen, drei-und vierstöckigen Gebäuden ähnelte eher einer Festung als einem Prunkbau. Tatsächlich hatte sie während ihrer langen Geschichte mehr als einmal dazu dienen müssen, ihre ehrwürdigen Bewohner vor feindlichem Ansturm und politischem Ränkespiel zu schützen. Der Palast grenzte an die Kapelle des Sixtinus, noch kein halbes Jahrhundert alt und doch schon weltberühmt. Sie bildete das Bollwerk gegen den Lärm und Schmutz des Bauplatzes, der sich gleich dahinter anschloss.
Das Hauptportal, auf das Faustus nun zuging, befand sich in einer hohen Wehrmauer. Sie umschloss die gesamte Palastanlage. Ein halbes Dutzend Gardisten hielten davor Wache und musterte das Volk am Fuß der Mauer mit stoischen Mienen.
Faustus atmete tief durch, dann griff er unter sein Gewand und zog ein versiegeltes Schreiben hervor. Damit trat er vor einen der Wachleute.
»Verzeiht«, sagte er, »aber könntet Ihr diese Botschaft Massimo Pamphili zukommen lassen?«
»Dem Bibliothekar?«
»Eben dem.«
Der Soldat musterte sein Gegenüber von oben bis unten. Faustus wartete angespannt auf einen Funken des Erkennens in seinen Augen, auf eine Vorwarnung, einen Angriff. Doch der Gardist sah offenbar nichts in ihm, das ihm Anlass zur Unruhe geben konnte, und so nickte er schließlich und steckte das Schreiben ein.
»Ich würde gerne hier auf die Antwort warten«, sagte Faustus ruhig. »Es ist wichtig.«
Der Soldat knurrte etwas, wandte sich dann mit sichtlichem Widerwillen an seinen Vorgesetzten und schilderte ihm leise das Begehr des Fremden. Faustus musste eine weitere Begutachtung über sich ergehen lassen, dann verließ der Gardist endgültig seinen Posten und verschwand durch das Portal im Inneren.
Der Gardehauptmann trat auf Faustus zu. »Wie ist Euer Name?«
»Ludwig Kornfeld.«
»Ihr seid nicht von hier«, stellte der Gardist fest, »aber Ihr seid auch kein gewöhnlicher Pilger. Ihr benutzt für gewöhnlich ein Pferd, auch wenn Ihr jetzt keines dabei habt. Ich kann das an Euren Stiefeln sehen.«
»So habt Ihr wache Augen.«
Der Hauptmann nickte unbescheiden. »Deshalb bin ich hier. Bin ich Euch schon einmal begegnet?«
Faustus verneinte. »Ich denke nicht. Ich bin Buchbinder.«
»Was treibt Euch her?«
Allmählich bereitete der Argwohn des Hauptmanns Faustus Sorge. War es möglich, dass man ihn sogar hier erkannte? Dann würde er all seine Pläne ändern müssen. Noch immer galt er der Kirche als Todfeind und Häretiker.
Äußerlich aber blieb er so gelassen wie zuvor. »Ich trage mich mit dem Gedanken, die Buchbinderei des alten Fabrizio zu übernehmen, unten im Borgo. Kennt Ihr ihn?«
Der Soldat schüttelte widerwillig den Kopf. »Dann werden wir uns gewiss noch öfter sehen.«
»Gut möglich«, sagte Faustus. »Vorausgesetzt, ich kann Euren Bibliothekar vom Wert meiner Arbeit überzeugen.«
Ein letztes Mal glitt der Blick des Hauptmanns an ihm hinab – die Stiefel hatten es ihm offenbar angetan –, dann trat er zurück an seinen Platz neben dem Portal und ließ Faustus in Ruhe auf Pamphilis Antwort warten.
Es war endgültig dunkel geworden, ehe der Soldat endlich zurückkehrte und Faustus ein Schreiben des Bibliothekars aushändigte. Es trug ein vatikanisches Siegel und war mehrfach gefaltet.
Faustus nickte dem Soldaten dankbar zu, verabschiedete sich und ging betont ruhig davon. Nun galt es, jedes weitere Aufsehen zu vermeiden.
Erst nachdem er um eine Ecke in die engen Gassen des Borgo Leonino eingebogen war, wagte er, das Siegel zu brechen und das Papier zu entfalten.
Mein Freund, stand da in feiner Tintenschrift zu lesen, du bist ein Narr, hierher zu kommen. Aber ein Narr warst du schon immer, und noch dazu der gerissenste, den ich je getroffen habe. Alles in mir wehrt sich dagegen, deinem Wunsch nach einem Treffen zu folgen, erst recht in diesen Zeiten. Vieles ist geschehen, seit wir uns zuletzt gesehen haben. Der Verfall schreitet voran. Man weiß, dass du in Rom bist. Versteck dich und komm nie wieder ans Tor des Vatikans. Vertrau nicht darauf, dass man dich nicht erkennt. Nicht alle Gardisten sind ungebildete Schwachköpfe. Komm hinunter ans Flussufer unterhalb der Engelsburg, später, wenn die Glocken Mitternacht läuten.
Massimo
Faustus trat vor eine Fackel, die in
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