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Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger

Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger

Titel: Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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würde, und hätte meine Hilfe bitter nötig gehabt.
    Aber war meine Entscheidung nicht schon viel früher gefallen, am Abend, als ich das Gasthaus entgegen seiner Anweisung verlassen hatte, um Angelina zu suchen?
    Ich warf einen letzten Blick zurück durch das Halbrund des Torbogens, zurück zum Ufer und der Stelle, an der das Ruderboot verschwunden war. Dann trat ich an Angelinas Seite.
    Im Gehen berührte sie sanft meine Hand.

5. Kapitel
    Das Boot legte an einem Steg an, der zwischen zwei Reihen hoher Zypressen auf das Wasser hinausreichte. Ein Mann mit einer Fackel stand an der Spitze und musterte Faustus mit kaum verhohlener Neugier. Er trug ein Schwert und trat zur Seite, um den Doktor und seinen Wächtertross an Land gehen zu lassen.
    Faustus hatte aufmerksam darauf geachtet, welchen Weg sie nahmen. Das Boot war der Strömung nach Süden gefolgt, eine ganze Weile in der Mitte des Flusses gefahren, ehe die Ruderer es ans östliche Ufer gesteuert hatten. Sie hatten das Gebiet der Stadt noch nicht verlassen, die gelbbraunen Dächer wuchsen noch immer hoch über den Uferwall hinaus, verschachtelt und mit Türmen wie Adlerhorste. Allerdings waren die Fassaden hier sauberer, die Fenster größer, und es gab Gärten mit dichtem Baumbestand und beschnittenen Hecken.
    Vom Steg aus folgten sie einem gepflasterten Weg zwischen Mauern aus Bruchstein. Er mündete in eine Piazza, überragt von einem mächtigen Palast. Es war ein klobiges, bedrückendes Bauwerk, dessen zwei untere Stockwerke keine Fenster besaßen, nur Schießscharten wie schwarze Stichwunden im Mauerwerk. Zinnen krönten den dritten Stock, dahinter patrouillierten Männer mit blitzenden Harnischen. Der Platz war von Feuerschalen erhellt, die sofort jeden Neuankömmling in Helligkeit tauchten.
    Die Bewaffneten führten Faustus zwischen den Feuern hindurch zu einem mächtigen Portal, eisenbeschlagen wie das Tor eines Königs – oder eines Kerkers. Jemand nannte eine Parole, dann öffnete sich der rechte Flügel. Ein hutzeliger Alter blickte heraus, sah Faustus, kicherte schadenfroh und zog sich wieder zurück.
    Hinter dem Portal und einem feuchten Tortunnel lag ein Innenhof, aus dessen Pflaster Unkraut sprießte. Man kümmerte sich offensichtlich nicht um die Bepflanzung, auch wenn die Bedingungen kaum besser hätten sein können. Ein Ziehbrunnen in der Mitte des Hofes war mit Brettern abgedeckt, die man mit großen Steinblöcken beschwert hatte. Der Herr dieses Palazzos schien große Furcht vor Eindringlingen zu haben, wenn er sogar einen Brunnen verschließen ließ. Wer, außer ein paar Wassergeistern, hätte von dort unten heraufsteigen können? Aber vielleicht war genau das die Antwort – Geister, Dämonen. Die Knechte der Unterwelt, mit denen der Borgia sich eingelassen hatte.
    Als Faustus ins Innere des Gebäudes geführt wurde, erkannte er, dass das Anwesen weit größer war, als er vermutet hatte. Durch ein Labyrinth aus Gängen und Hallen brachte man ihn in einen Raum, der rundherum mit dunkelroten Samtvorhängen ausgekleidet war. Dort ließ man ihn allein.
    Faustus blieb an der Tür stehen und schaute sich um.
    Dies war kein Verlies, dazu waren die orientalischen Teppiche auf dem Boden zu teuer, der Samt zu reinlich gepflegt. Selbst die Decken hatte man rot abgehängt, mit wallenden Stoffen, die aussahen, als blicke man aus der Tiefe eines Ozeans aus Blut hinauf zur Oberfläche.
    Faustus wurde ganz still, hielt sogar den Atem an, und horchte. Man hatte keinen Riegel vorgeschoben, ein weiterer Hinweis darauf, dass dies kein Kerker war. Ein Gefangener aber war er trotz alledem. Die Schritte der Bewaffneten vor der Tür entfernten sich nicht.
    Warum war er hier?
    Plötzlich hörte er noch etwas, nah und doch gedämpft. Ein Keuchen. Rhythmisch. Das schwere Atmen eines Kranken. Es drang durch einen der Vorhänge.
    Faustus näherte sich der Seite des Raumes, aus der die Laute ertönten. Er fragte sich, ob hinter allen vier Wandvorhängen weitere Räume lagen, oder ob es nur diesen einen Durchgang in ein anderes Zimmer gab.
    Der Vorhang klaffte mit einem Mal auseinander. Ein schmaler Spalt zog sich von unten nach oben wie von einer Klinge, die durch rotes Fleisch schnitt. Heraus schob sich ein unförmiger Kopf mit dünnem, rotem Haar – im ersten Moment erinnerte das Bild Faustus an eine groteske Kindsgeburt. Dem Kopf folgte mit verstohlenen Bewegungen eine kleine Gestalt.
    Es war kein Kind.
    Der Bibelzwerg des Großinquisitors grinste Faustus

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