Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger
höhnisch an. Zuletzt hatte der Doktor ihn gesehen, wie er weinend über dem geschundenen Körper seines Herrn kauerte, in den Wäldern unterhalb der Wartburg. Als die Gaukler mit ihm fertig gewesen waren, war von Konrad von Asendorf kaum mehr übrig gewesen als ein blutendes Fleischbündel, nach allen Naturgesetzen zum Tode verurteilt, und sein Zwergendiener hatte bittere Tränen vergossen.
Und nun war er also hier, in diesem Palazzo am Tiberufer. Das bedeutete, dass Asendorf selbst nicht fern war.
Das Röcheln hinter dem Vorhang schraubte sich zu einem schrillen Hustenanfall empor.
Der Zwerg sagte kein Wort. Faustus hatte ihn auch damals nie sprechen hören, und er vermutete, dass er stumm war. Der hässliche kleine Kerl streckte die Hand zurück durch den Vorhang und zog eine Schnur hervor, die hinauf zur Decke führte. Als er sie einholte, öffnete sich der Vorhang zu beiden Seiten in einer gleichförmigen Wellenbewegung.
Dahinter kam ein gigantisches Bett zum Vorschein. Unter einem seidenen Baldachin, zwischen zahllosen dunkelroten Kissen lag etwas, einst ein Mensch, groß und knochig in Faustus’ Erinnerung, jetzt aber nur noch ein Kopf mit einem wachen und einem blinden Auge und einem Anhängsel aus nutzlos gewordenen Gliedmaßen. Asendorf besaß noch alle Arme und Beine, doch sie waren gelähmt, das erkannte Faustus an der Art und Weise, wie sie sich unter dem dünnen Seidentuch abhoben. Der Leib des Inquisitors war ungeheuer aufgequollen, doch hatte sich seine neue Masse nicht gleichmäßig verteilt. Seine Unterschenkel waren so breit wie seine Hüfte, aufgebläht vom Wasser in den Waden; auch seine Handgelenke hatten fast den zweifachen Umfang seiner Oberarme. Dort, wo blanke Haut zu sehen war, schimmerten rosafarbene Narben von den Schnitten, die die Gaukler ihm zugefügt hatten.
Allein das rechte Auge verriet, dass in dieser Monstrosität noch immer der Geist des alten Asendorf loderte, messerscharf wie eine Klinge. Das linke war blind, der Augapfel dunkelrot angelaufen wie ein roher Fleischballen.
»Faustus«, sagte der Inquisitor. Nur dieses eine Wort.
Der Doktor deutete eine Verbeugung an. Er unterdrückte den Schauder, der ihn beim Anblick dieser Kreatur überkam. »Eure Eminenz«, grüßte er leise.
Der Zwerg huschte an die Seite seines Herrn und schlug eine übergroße, in Leder gebundene Bibel auf. Manche Dinge ändern sich nie, dachte Faustus. Schon damals hatte der kleine Mann mit den Lippen stumme Bibelverse geformt, wenn Asendorf zum Sprechen ansetzte; damit sollte den Worten des Inquisitors das Gewicht des Glaubens verliehen werden.
Jetzt aber stieß Asendorf ein scharfes Zischen aus. Sogleich schlug der Zwerg die Bibel wieder zu und sprang aufgescheucht von der Bettkante. Wie ein getretener Hund zog er sich an die Wand zurück und sank zusammen, während eine einzelne Träne über seine Wange rollte.
Er gibt mir die Schuld, dachte Faustus. Ich hätte die Gaukler aufhalten können, als sie ihn derart zugerichtet haben. Aber ich habe es nicht getan.
Und weshalb auch? Der Inquisitor hatte mehr als einmal versucht, Faustus zu töten. Seine Grausamkeit war so unmenschlich wie legendär. Das Schicksal hatte seinen Körper lediglich den Deformationen seines Geistes nachgebildet.
»Was wollt Ihr von mir, Asendorf?«
Das gesunde Auge des Inquisitors musterte Faustus. »Ich wusste, dass du herkommen würdest. Du konntest nicht widerstehen, nicht wahr? Das Mysterium der Engelskrieger war zu groß, zu ungeheuerlich für dich. Du musstest die Wahrheit erfahren.«
»Habt Ihr es gewusst, Asendorf?«
»Macht das einen Unterschied?«
»Habt Ihr gewusst, was der Borgia geplant hat?«
Asendorf verzog das vernarbte Gesicht, und erst nach einem Augenblick wurde Faustus klar, dass der Inquisitor versucht hatte, den Kopf zu schütteln.
»Nein. Kaum einer hat es gewusst.«
»Kardinal DeAriel hat Euch nichts davon erzählt?«
»Ich bezweifle, dass DeAriel die Wahrheit kannte. Er hätte sie nicht gutgeheißen.«
Obwohl es ihm widerstrebte, trat Faustus näher an das Bett. Er wollte Asendorfs Auge sehen, wenn der Inquisitor sprach. Es war der einzige Teil seines Körpers, der noch verraten mochte, ob er log.
Der Bibelzwerg stieß ein zorniges Knurren aus, bewegte sich aber nicht von der Stelle.
»Versuch nicht, meine Gedanken zu lesen, Faustus«, sagte Asendorf. »Du bist schon früher daran gescheitert.«
»Ich war Euch stets ein Stück voraus.«
»Du warst mehr als einmal mein
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