Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger
Gefangener.«
»Niemals für lange Zeit.«
»Vielleicht hätte ich dich damals töten sollen, als ich noch die Kraft dazu hatte.«
»Was hält Euch heute davon ab?« Faustus weigerte sich, die vertrauliche Anrede zu benutzen, die sich Asendorf bei jedem seiner Opfer gestattete.
Der Inquisitor schnappte nach Luft, als ihn eine plötzliche Atemnot überkam. Er hustete einen schwarzen Schleimfaden über sein Kinn, dann erholte er sich allmählich.
»Ich könnte dich mit einem Fingerschnippen vernichten«, keuchte Asendorf. »Vorausgesetzt, ich könnte mit den Fingern schnippen.« Er stieß ein meckerndes Lachen aus wie ein alter Ziegenbock.
Immerhin, seinen Hohn hatte er nicht verloren. Faustus glaubte nicht, dass Asendorf sich selbst bemitleidete. Er vermutete eher, dass der Inquisitor ganz zerfressen war von seinem Zorn über die eigene Unzulänglichkeit.
»Ihr habt mir noch immer nicht gesagt, was Ihr von mir wollt, Asendorf. Ginge es Euch nur darum, mich zu töten, hätten das Eure Halsabschneider erledigen können. Gewiss bezahlt Ihr sie gut genug, damit sie Euren Anblick ertragen.«
Erneut fauchte der Zwerg wie ein wildes Tier.
Asendorf lachte wieder. »Ich weiß, was ich bin, Faustus. Ich muss nicht an mir hinabsehen, um das zu erkennen. Sollte ich es jedoch jemals vergessen, werde ich mich an deine Worte erinnern.«
Damals in Wittenberg hatte der Inquisitor Faustus einen Handel vorgeschlagen. Der Doktor sollte herausfinden, wer für die niedergebrannten Kirchen im ganzen Land verantwortlich war. Damals hatte Asendorf noch vermutet, dass ein Bund von Ketzern dahintersteckte. Erst später hatte er von den Engelskriegern unter dem Befehl Kardinal DeAriels erfahren. Faustus sollte ihm damals die Schuldigen bringen und im Gegenzug einen Aufschub erhalten. Asendorf wollte ihn laufen lassen – bis zu ihrer nächsten Begegnung. Dann, so hatte er erklärt, würde nichts mehr Faustus vor dem Scheiterhaufen retten können.
»Nun?«, fragte Faustus ungeduldig. »So sehr ich Eure Gesellschaft schätze, Asendorf, möchte ich Eure Zeit doch nicht allzu lange in Anspruch nehmen. Ich bin sicher, Ihr habt Besseres zu tun, als mit mir zu plaudern.«
Er sah, wie sich das eine Auge des Inquisitors zusammenzog, ganz kurz nur.
Der Bibelzwerg war nicht mehr zu halten. Er sprang auf, baute sich vor Faustus auf – er reichte dem Doktor bis zum Bauchnabel –, und spuckte ihm von unten gezielt ins Gesicht. Faustus machte nicht den Versuch, ihn zu packen oder nach ihm zu schlagen. Stattdessen wischte er sich ungerührt den Speichel von der Wange, strafte den Zwerg mit Missachtung und kreuzte erneut den Blick des einzelnen Auges.
Vielleicht täuschte er sich, doch es schien ihm jetzt eine ähnliche rote Färbung anzunehmen wie der andere, erblindete Augapfel.
»Mich zu verspotten ist keine Kunst«, presste Asendorf hervor. »Dafür musst du nicht der große Mann sein, für den du dich hältst, Faustus. Spott und Überheblichkeit sind enge Verwandte, glaub mir, ich weiß es aus eigener Erfahrung.«
»Wollt Ihr mich glauben machen, Eure Verfassung habe Euch zu einem besseren Menschen gemacht?« In der Tat bedauerte Faustus jetzt seinen Hohn. Nicht, weil Asendorf ihm Leid tat. Vielmehr hatte der Inquisitor Recht mit dem, was er sagte. Er konnte Faustus’ Unsicherheit spüren, und dieser Gedanke gefiel dem Doktor keineswegs. Er musste sich eingestehen, dass der Anblick dieses zerstörten Leibes ihn stärker berührte, als er wahrhaben wollte. Er machte ihn unvorsichtig und durchschaubar.
»Ich wollte dich nur sehen«, sagte Asendorf. »Sonst nichts. Ein letztes Mal.«
»Ich hatte erwartet, dass man mich dem Borgia vorführt – oder dem Kind, von dem er Besitz ergriffen hat.«
»Er ist weniger Kind, als du glauben magst. Du wirst ihm bald begegnen.«
»Das ist ein Wort.«
Der Bibelzwerg stieß abermals ein Fauchen aus wie eine Katze, die ihren Wurf verteidigt. Faustus konnte ihm ansehen, dass er ihn am liebsten mit eigenen Händen getötet hätte. So groß also war die Loyalität, die selbst eine Bestie wie Asendorf bei seinen Untergebenen wecken konnte. Allerdings bezweifelte er, dass dem Inquisitor andere Getreue als dieser kleine Mann geblieben waren. Er hatte Mitleid mit dem Zwerg, und ein wenig sogar mit Asendorf selbst. Kein Mensch hatte es verdient, hilflos in der eigenen Qual zu garen wie ein Stück Fleisch im Kochkessel.
Er sah Asendorf eindringlich an. »Habt Ihr geglaubt, ich würde den Versuch machen, Euch
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