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Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger

Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger

Titel: Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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setzte nach, wieder ging seine Attacke fehl, aber als er die Waffe zurückzog, streifte mich die Breitseite der Hiebklinge am Hinterkopf. Obwohl ich kaum mehr als eine Beule davon zurückbehalten würde, war ich einen Moment lang verblüfft über den unverhofften Treffer. Mein Feind sah mein Zögern und stieß einen Kampfschrei aus. Ich stolperte zurück, prallte mit dem Rücken gegen die Tunnelwand und sah mit aufgerissenen Augen die Hellebarde auf mich zukommen.
    Im selben Augenblick aber stürmte Angelina von hinten auf den Soldaten zu. Er sah sie wohl aus dem Augenwinkel kommen, denn gerade noch rechtzeitig wirbelte er herum und wehrte ihren Hieb mit dem Schaft seiner Waffe ab. Angelina ließ sich davon nicht beirren und versuchte eine neue Attacke. Diesmal war sie erfolgreicher. Plötzlich klaffte ein breiter roter Spalt im Lederharnisch des Mannes, eine Wunde bis tief in die Brust hinein. Er starb ohne einen Schrei, ohne überhaupt zu begreifen, wie ihm geschehen war.
    »Angelina!«
    Der verletzte Mann am Boden stach von hinten nach ihr, und ohne meine Warnung hätte die Klinge sie durchbohrt. So aber wich sie in einem eleganten Schlenker aus, fuhr herum und stach ihm ihr Schwert bis zum Heft in den Leib. Die Spitze schlug Funken, als sie an seinem Rücken austrat und hart auf den Felsboden stieß.
    Schwer atmend standen wir da, blickten über die vier Leichen am Boden und versuchten, wieder zu Sinnen zu kommen. Angelina zog ihre Klinge aus dem Toten, wischte sie an seiner Kleidung sauber und wollte sie gerade in die Schwertscheide stecken, als ich den Arm ausstreckte und mit bebendem Finger auf etwas hinter ihrem Rücken zeigte.
    Sie drehte sich um und sah, was ich schon einen Atemzug früher bemerkt hatte.
    Eine Wand aus Soldaten versiegelte den Tunnel. Acht, zählte ich hastig, vielleicht auch zehn. Sie trugen Schwerter und Hellebarden. Und sie hatten die Leichen ihrer vier Kameraden bereits entdeckt.
    Angelina straffte sich, wappnete sich für den Kampf. Mit verbissener Miene trat ich neben sie, das Schwert erhoben, bereit, im Gefecht zu sterben. Wir wussten beide, dass es aussichtslos war. Angelinas Brust hob und senkte sich wie rasend, der Kampf auf so engem Raum hatte sie erschöpft. Sie mochte ein Borgia-Engel sein, eine der besten Kämpferinnen des Kontinents, doch auch sie musste einer solchen Anstrengung Tribut zollen. Selbst wenn es mir gelang, zwei oder drei der Soldaten zu erschlagen – was keineswegs gesichert schien, denn auch dies waren erfahrene Kämpen –, blieben für Angelina noch genug, dass sie in dieser Verfassung unterliegen musste.
    Wir wechselten einen letzten Blick, rechneten mit dem vernichtenden Angriff –
    – als hinter den Männern Laute ertönten. Rasche Schritte, darüber das Schleifen von Stahl, der aus Lederscheiden gezogen wurde.
    Und dann versank der Tunnel im Chaos.
    Die Soldaten wurden von hinten angegriffen, mit solch zerstörerischer Wut, dass sie in heilloser Panik zurückwichen in unsere Richtung. Und in unsere Klingen. Ehe wir überhaupt erkennen konnten, wer uns da zu Hilfe geeilt war, hatten Angelina und ich bereits zwei Soldaten getötet, die uns buchstäblich mit den Rücken in die Schwerter liefen. Kein ehrenhafter Sieg, gewiss, doch es ging um unser Leben, nicht um Regeln der Ritterlichkeit.
    Da erkannte ich sie. Vier Gestalten in schwarzer Kleidung – mit weißen Gesichtern, weißblondem Haar.
    Borgia-Engel.
    Mit ihren langen, dünnen Schwertern hieben und stachen sie auf die Soldaten ein, und es dauerte nur wenige Augenblicke, da war der Kampf entschieden. Vier Männer lebten noch, aber sie waren schwer verletzt, und ehe ich auch nur den Gedanken fassen konnte, man möge sie verschonen, waren die Engelskrieger schon über ihnen und töteten sie mit gezielten Stichen. Der Tunnelboden schwamm jetzt vom Blut der Gefallenen, und der warme Geruch des Todes füllte die Felsenröhre. Mir war übel, aber ich versuchte standhaft, keine Schwäche zu zeigen. Kampfbereit stand ich neben Angelina und blickte über den Leichenberg hinweg auf die Engelskrieger.
    Ich bemerkte, wie Angelina sich abrupt versteifte, als einer der vier – es waren zwei Frauen und zwei Männer – mit grazilen Schritten über die Toten stieg und sich uns näherte.
    Mein Latein war nur mittelprächtig, und als der Mann sprach, verstand ich lediglich Bruchstücke. Es war eine förmliche Begrüßung, gefolgt von etwas, das er gezielt an Angelina richtete. Es klang wie – ja, wie eine

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