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Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger

Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger

Titel: Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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stolz.
    »Bitte«, sagte er dennoch.
    Faustus nickte. Wortlos legte er eine Hand auf den geschwollenen Hals des Mannes, tastete, bis er unter dem schwammigen Fleisch den Adamsapfel fand.
    Asendorf schloss das gesunde Auge. Das blinde blieb offen, starrte reglos zur Decke.
    Faustus drückte zu, ganz kurz nur und mit aller Kraft.
    Jenseits der Vorhänge begann der Zwerg zu wehklagen.
     
    Die Dunkelheit schien vor meinen Augen zu etwas Festem zu gerinnen. Ich streckte die Hände aus, tastete umher – und umfasste ein Gitter.
    Natürlich! Wie lächerlich, anzunehmen, ein Tunnel unter den Mauern eines Gefängnisses wie diesem könnte offen stehen, zugänglich für jedermann.
    Wir waren dem waagerechten Schacht noch keine zwanzig Schritt weit gefolgt, als die Finsternis so undurchdringlich wurde, dass ich nicht mehr sah, wohin ich meine Füße setzte, geschweige denn, was am Ende dieses schwarzen Schlundes liegen mochte. Der Boden unter meinen Sohlen war uneben, mit bösartigen Stolperfallen übersät. Aus der Tiefe wehten uns Geräusche entgegen, leises Flattern von Fledermäusen, das Rascheln ganzer Rattenstämme. Ich verfluchte diesen Ort, ich verfluchte meinen Meister, ich verfluchte sogar mich selbst. Wie angenehm war es doch in Wittenberg gewesen, in der Behaglichkeit meiner Studierstube, wo meine einzige Angst den Herrn der Hohen Schule galt. Was waren schon ein paar Rohrstockschläge gegen das, was uns bevorstand, falls man uns einfing? Der Scheiterhaufen war dabei die geringste meiner Befürchtungen.
    Im Gegensatz zu mir schien Angelina mit der Finsternis keine Schwierigkeiten zu haben. Sie war zügig ausgeschritten, ehe wir auf das Gitter stießen, und als sie bemerkte, dass ich weit langsamer vorankam als sie, griff sie nach meiner Hand und führte mich. Sie hatte so viele Jahre unter der Erde verbracht, dass sich ihre Augen weit schneller an geringes Licht gewöhnten.
    Geringes Licht? Soweit ich erkennen konnte, gab es hier überhaupt keines. Der Mondschein, der das Ufer erhellt hatte, war längst hinter uns zurückgeblieben. Angelina war in der Tat ein wunderliches Geschöpf.
    Vor dem Gitter endete unser Weg. Nicht einmal Angelina konnte durch knöcheldicke Eisenstäbe gehen. Plötzlich aber zerrte sie an meinem Arm, und ich begriff, dass sie etwas am Boden entdeckt hatte. Einen Spalt unter dem Gitter. Jemand hatte es ein Stück weit nach oben geschoben.
    Liegend rollten wir unter dem Gitter hindurch. Der Boden war kalt und feucht. Ich fröstelte, nicht allein wegen der Kälte. Angelina kannte diesen Ort, und sie hätte mich gewiss nicht achtlos ins Verderben geführt – doch seit sie zuletzt hier gewesen war, waren fast zwei Jahre vergangen. Vieles konnte sich verändert haben. Es mochte neue Gefahren geben. Gefahren, die es vorzogen, in absoluter Finsternis zuzuschlagen.
    Ich sprach meine Gedanken aus, flüsternd, um ja nichts in der Dunkelheit aufzuschrecken. Was Angelina darüber dachte, blieb ihr Geheimnis. Sie konnte nicht antworten, und in der Schwärze war es mir unmöglich zu erkennen, ob sie nickte oder den Kopf schüttelte. Jetzt erst, in dieser vollkommenen Finsternis wurde mir bewusst, wie sehr Angelina durch Gesten sprach, durch Blicke. Nun, da sie beides nicht einsetzen konnte, war sie stummer denn je.
    Wieder ergriff sie meine Hand, zog mich nach rechts.
    »Wohin gehen wir?«, wisperte ich – nicht zum ersten Mal.
    Sie führte meine Hand zu etwas, das sich in der Wand befand. Ein eiserner Fackelhalter. Darin steckte eine alte Fackel, zur Hälfte heruntergebrannt und dann gelöscht.
    Ich wühlte in meiner Tasche nach den beiden Feuersteinen, die ich zusammen mit allerlei anderem Kleinkram bei mir trug. Sie waren klein, und ich war keineswegs sicher, dass sich die alte Fackel damit entzünden lassen würde. Doch wieder einmal hatte ich Angelina unterschätzt, die nur wenige Schläge brauchte, ehe ein Funkenregen das Pech in Brand setzte. Bald darauf wurde es Licht.
    Der Tunnel war gerade hoch genug, dass ein Mann zu Pferd hindurch reiten konnte. Die Decke war leicht gewölbt und aus Felsgestein gehauen. Das wiederum bedeutete, dass wir uns bereits unter den Fundamenten der Festung befanden. Der Tunnel musste unmerklich bergab geführt haben, so seicht, dass es kaum auffiel. Mein Abscheu vor diesem Ort wuchs mit jedem Schritt, mit jeder neuen Entdeckung.
    Ungeachtet dessen setzten wir unseren Weg fort. Angelina ging mit großer Bestimmtheit weiter, jetzt noch schneller als zuvor. Ich konnte

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