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Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger

Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger

Titel: Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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hingegen schien ihn besser zu kennen als die meisten anderen. Gewiss hätte er einiges zu erzählen gehabt.
    Doch hier und jetzt ging es nur um eines.
    »Wo ist er?«, fragte ich noch einmal.
    »Nicht hier«, erwiderte Pamphili. »Ihr könntet den Palast von oben bis unten durchsuchen, und Ihr würdet ihn nicht finden.«
    Angelina machte einen drohenden Schritt auf den alten Mann zu, und für die Dauer einiger Herzschläge zeigte sich tatsächlich Furcht auf seinen Zügen. Dann aber legte sich wieder Niedergeschlagenheit wie eine Maske über sein Gesicht.
    »Er hat gespielt und verloren«, sagte er. »Das hat er sein Leben lang getan.«
    »Ihr sprecht von ihm, als wäre er tot«, entfuhr es mir beklommen.
    Pamphili schüttelte den Kopf. »Ich denke nicht, dass er das ist.«
    Ich wies mit der Schwertspitze auf seine Brust. »Dann sagt, wohin er gebracht wurde!«
    »Was wollt Ihr tun? Einen alten Mann foltern? Ist das die Lehre, die Ihr aus Eurer Zeit mit Faustus gezogen habt?«
    »Er erkennt die gelegentliche Notwendigkeit von Gewalt durchaus an.« Ich wurde zunehmend wütend auf diesen Alten, der von meinem Meister sprach, als sei er immer noch sein enger Freund.
    »Man würde mich töten, wenn ich Euch sagte, was Ihr wissen wollt.«
    »Ihr werdet auch sterben, wenn Ihr es nicht tut.«
    Sein Blick bohrte sich in meine Augen. »O, ja? Ihr seht mir nicht aus wie einer, der anderen leichter Hand Schmerz zufügt.«
    »Wenn man mich reizt«, widersprach ich ein wenig hilflos. Ich musste mir eingestehen, dass Pamphili mich mit erschreckender Leichtigkeit durchschaute.
    »Das sehe ich anders«, sagte er.
    Er lässt es auf ein Wortgefecht ankommen, dachte ich. Er will Zeit gewinnen – für was auch immer.
    Ehe ich etwas erwidern konnte, hielt Angelina plötzlich ihren Dolch in der Hand. Sie rammte ihr Schwert in das Buch auf dem Pult, so dass es aufrecht dastand wie ein Kreuz am Wegrand. Dann war sie in Windeseile bei Pamphili, drückte seine flache Hand auf das Papier und presste die Messerschneide auf seinen kleinen Finger.
    Ich schluckte, dann fing ich mich. »Ich würde es an Eurer Statt nicht darauf ankommen lassen«, empfahl ich ihm.
    Der Blick des Alten wurde abfällig. »Verfluchte Engelsbrut!«
    Angelina drückte den Dolch herunter. Eine Blutfontäne fächerte über das Weiß der Buchseiten.
    Pamphili schrie nicht. Zumindest nicht gleich. Entgeistert starrte er auf seinen kleinen Finger, den Angelinas Klinge über der Wurzel abgetrennt hatte. Er lag in dem offenen Buch wie ein makaberes Lesezeichen.
    Ich sprang vor und presste ihm meine Hand auf den Mund.
    »Wo – ist – Faustus?«
    Der Schrei stieg in ihm auf und versuchte sich Bahn zu brechen. Doch meine Hand hielt ihn auf, bevor er die Wachen auf den Gängen alarmieren konnte.
    Angelina drückte die Finger des Bibliothekars noch immer mit aller Kraft auf das Lesepult. Ihr Dolch wanderte zum Ringfinger, auf dem ein dunkler Siegelring steckte. Sie setzte die Klinge gleich neben dem Metallreif an.
    »Ihr werdet antworten«, flüsterte ich Pamphili ins Ohr, erschrocken über meine eigene Kaltblütigkeit. Ich gab mir alle Mühe, nicht auf den abgeschnittenen Finger zu blicken. Als ich es doch tat, spürte ich ein heftiges Rumoren im Magen. Ich löste meine Hand einen Spaltbreit vom Mund des Alten. Ein Keuchen kam über seine Lippen, aber kein weiterer Schrei.
    »Ich kann es Euch … nicht sagen …«
    Angelina zauderte nicht. Ihre Engelinstinkte hatten längst die Oberhand gewonnen. Keine Skrupel mehr, kein Mitgefühl.
    Ein einziger Druck auf den Dolch, und der Ringfinger war sauber abgetrennt. Der Blutstrahl war stärker als der erste und sickerte dunkelrot durch die Papierschichten des Folianten. Auch das verlockende Gebäck in der Schale wurde davon getränkt. So viel zu unserem Frühstück.
    Pamphili drohte in meinem Griff schlaff zu werden. Schon fürchtete ich, er würde das Bewusstsein verlieren. Doch dann fing er sich, und abermals erstickte meine Hand seinen dumpfen Schrei. Meine Knie wurden weich, doch es war der einzige Weg. Allein hätte ich ihn nie beschreiten können. Angelina dagegen vollzog die Folter ohne ersichtlichen Widerwillen. Sie hatte abgewägt – Pamphili gegen Faustus – und kühl ihre Entscheidung getroffen.
    Sie setzte den Dolch am Mittelfinger an.
    Pamphili schüttelte heftig den Kopf, so fest, dass meine Hand von seinen Lippen glitt. Doch er rief nicht um Hilfe. Er hatte begriffen, dass es für Angelina keine Rolle spielte, ob sie

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