Die neue Hoffnung der Föderation (Der Dezennienkrieg 1)
„Auvern.“
„Mein Vormund?“
Der gleichfalls unwissende Maitland, der sich in dieser Angelegenheit selbst nicht auskannte und wohl nach seiner heutigen überhasteten Rekrutierung als Behelfsübersetzer nicht sonderlich lange eingewiesen worden war, konnte auch nur fragen.
Yons Erwiderung war eindeutig.
„Der Duc d’Auvergne ist drin.“ Natürlich wusste Maitland als ehemals auf dem Gut lebender Gefangener über die Herrscherfamilie und ihre Probleme Bescheid. Über Belians Probleme.
Nun hatte der Ortsansässige seine Aufklärung erhalten, was von ihm erwartet wurde. Warum Yon so beharrlich mit ihm sprechen wollte. Eigentlich war ein Wunder, dass Belian eine ‚terranische’ Angelegenheit darstellte. Der kommandierende Admiral war schließlich Moores aus Orion, und dann kam noch ein Rear Admiral Delgado aus Wega. Beide waren nominell ranghöher als ein Commodore von Terra.
„Mein Vormund ist einflussreich?“ Belian graute vor der Frage. Die Terranische Föderation wollte Nouvelle Espérance. Er war hier gerade zu ‚Gast’ und Yon versuchte ihn dazu zu bringen, doch Einfluss zu nehmen. Was war der nächste Schritt? Der Missbrauch als etwaiges Druckmittel? Geiselnahme war eine Methode wie Alpha Centauri sie anwandte, zumal Belian für das Familienoberhaupt doch wertlos war! Das mussten die ehemals auf Gut Auvergne gefangenen Offiziere doch wissen! Nur dass man ihn sogar verstoßen hatte, war den Terranern nicht bekannt.
„Er ist ein Duc. Hat Macht zu reden mit anderen“, erklärte Maitland.
Wohl eher die Ambition, über die Auvergne hinaus an Einfluss zu gewinnen. Damals bei Belians Reitunfall hatte der Familienvorstand bewiesen, wie flexibel und rasch er sich umstellen konnte. Der König war tot? Na gut! Ein tragischer Schock, aber sicherlich auf gewisse Weise im persönlichen Sinne weniger gravierend als die komplette Abschreibung des ältesten Sohnes alias Erben. Bis ein neuer Monarch da war, konnte man die politische Situation nach dem ersten Schrecken sicherlich nutzen, um die eigene Position zu verbessern. Genau wie alle anderen es auch versuchen würden.
Die Auvergne mochte recht klein ein, aber auf ihr gab es dank des idealen Klimas und der einzigartigen Lage die besten Weintrauben des ganzen Planeten. Der erlesene Champagner erzielte regelmäßig Höchstpreise - und dementsprechend war der Duc reich. Auf alle Fälle viel reicher als die meisten Comtes, die ihre Einkünfte nur aus den ihnen vor Jahrhunderten bei der Landverteilung zugewiesenen größeren Städten und deren engstem Umland beziehen konnten. Belians Vormund erzielte vermutlich sogar höhere Einkünfte als so mancher andere Mann seines Ranges vom Festland, in dessen Herrschaftsbereich viel mehr Bürger leben mochten als auf der ganzen Auvergne.
Für die Terraner war der Duc daher eine Hausnummer. Ein potenzielles Einfallstor in den Rat, falls es gelänge, ihn über seinen in ihrer Hand befindlichen Sohn zu gewinnen. Wenn Belian nicht aufpasste, würde er die Auvergne doch so schnell nicht wiedersehen. Er durfte im Grunde nicht scheitern, obwohl Geiselexekutionen Terra fremd sein mochten, aber er durfte auch keinen zu großen Erfolg haben, oder man würde ihn ewig als Faustpfand festhalten.
Am besten war wohl die Wahrheit. Gleich und sofort. Dank Maitland würde Yon sie sicherlich gut aufnehmen, und die Terraner würden Belian nicht zwangsrekrutieren. Das hatten sie ihm gerade versichert!
„Es wird nichts bringen, Andreas. Du kennst meinen Vormund. Das Sternenreich wollte Paul alias den Erben als Geisel. Als ich nach eurer Verhaftung an jenem Tag von meinem Ausritt zurückkehrte, hat der Duc mich zu sich zitiert und behauptet, ich wäre der Erbe. Er hatte mich zuvor aus dem Testament gestrichen und hat mich zum Schein wieder eingesetzt, damit das Sternenreich mich an Pauls Stelle mitnimmt. Das hat er mir eiskalt gesagt, weil die Staatsschutzbeamten Einheimische waren und natürlich zu ihm hielten, während Monsieur… also der natürlich mithörende, anwesende feindliche Leutnant kein Französisch sprach.“
Nicht an Ginnes Rosil denken! Nicht an irgendwen aus Sirius denken! Nicht an den Massenmord an allen Gefangenen denken, der sowieso schon stattgefunden hatte! Bloß nicht die Bilder von Abrahams Hinrichtung oder die eigenen Qualen erneut heraufbeschwören! Dennoch wurden Belians Hände feucht, und er krümmte sich leicht zusammen.
Maitland starrte ihn an. Yon bestürmte seinen Untergebenen geradezu.
Der Commander
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