Die neue Hoffnung der Föderation (Der Dezennienkrieg 1)
ausspucken. „Schändlich ist, dass jemand, der so gerne Soldat spielt wie Sie, so redet! Ohne die Zivilgesellschaft gäbe es nämlich auch Ihre werte Navy nicht! Ein Geben und Nehmen… ha! Mir hat die Navy nur alles weggenommen! Zuletzt auch beinahe noch mein Leben! Und alles nur im Dienste Ihrer werten Pflicht! Sterben Sie doch dafür, wenn Sie mögen! Mir reicht’s! Gott hat mir diese Chance gegeben, auszusteigen, und ich werde sie nutzen! Ich werde nun doch noch das Leben führen können, das ich mir mit siebzehn Jahren erträumt habe! Das ist keine Fahnenflucht, sondern das Ergreifen des letzten Strohhalms!“
Der kampfbereit dastehende Kriegsversehrte hatte sich als stärker erwiesen als Belian es je gedacht hätte. Und als lauter. Der Freund war hier plötzlich ein völlig anderer Mensch. Auf Nouvelle Espérance und in der Zelle der Raumstation war Niven nie so aggressiv gewesen. Nie hatte er zu solchen Gefühlsexplosionen geneigt. Nicht einmal in seinen psychischen Zusammenbrüchen.
Jetzt jedoch eilte der Blick, der Stahlplatten hätte durchbohren können, durch den Raum, als suche der Besitzer Widerspruch, und blieb am Ende an Belian hängen. Der Zorn wich dabei zunehmend etwas anderem. Vielleicht war es Angst oder was völlig irrational war: innerer Schmerz. Auch der Zellengenosse von der Raumstation war wieder an vorgestern erinnert worden, wie es schien.
Der ehemalige Leutnant wirbelte abrupt herum und erwies sich dabei trotz der Ereignisse vor zwei Tagen, die auch ihn mit Prellungen und Schwellungen gezeichnet hatten, als ziemlich beweglich. Zusammen mit Nivens Herausstürmen erfolgte der Knall der hinter ihm zuschlagenden Tür.
Weniger als eine Minute nach der Szene fand auch der hinauskomplimentierte Belian sich auf dem Korridor wieder und hörte durch die Tür, wie Yon Commander Garther in Grund und Schiffsboden brüllte.
Der von irgendwoher wieder auftauchende pummelige Stabsleutnant führte Belian eilends weg und machte dabei mit seinem Verhalten und wortlosen Erklärungen mehr als deutlich, dass er auf eigene Initiative handelte. Die auf jenes rückwärtige Quartier gerichtete Geste des erfahrenen Untergebenen war einfach nur hektisch abwehrend. Mit Commodore Yon war jetzt nicht mehr gut Kirschen essen.
Anstelle des Hangars war es jedoch die Krankenstation des Trägers, auf die Belian gebracht wurde. Womöglich musste er sogar auf der Vietnam übernachten, obwohl er sich jetzt geradezu nach der Berlin und den dortigen vertraut gewordenen Gesichtern sehnte.
Anstatt den ungewollt zum Zeugen einer militärinternen Angelegenheit gewordenen Belian erneut in seine Kabine vorzuladen, fasste der sich wieder beruhigende terranische Commodore nach einer kurzen Weile einen anderen Entschluss. Er tauchte persönlich auf der Krankenstation auf. Im Schlepptau hatte er einen kahl geschorenen und in normaler Dienstuniform steckenden Andreas Maitland. Die Läuse hatten also auch diesen Offizier erwischt, und die augenscheinlich genähte, sorgsam mit einem Verband und Tape bedeckte Hinterkopfverletzung hatte die Entscheidung zum Abrasieren der dichten schwarzen Haare fallen lassen.
Die Mütze hatte die Glatze bei der ganzen Trauerfeier verdeckt, und außer der durch den Armbruch verursachten temporären Einarmigkeit war vielleicht das Aussehen der Grund dafür gewesen, dass er die Kappe aufbehalten hatte. Neben dem Verband war die Kopfhaut aufgeschürft, und an einigen Stellen von unter der Oberfläche befindlichen ehemaligen Blutungen schillernd bunt. Belian wusste nicht, ob er selbst auch so aussah, aber Maitland war jedenfalls ein halbes Monster. Man konnte das nicht beschönigen, denn es war so.
Der von der Madagascar stammende Commander wäre zwar früher nie Belians erste Wahl gewesen, wenn es um die Offiziere von Gut Auvergne ging, aber diesen Mann zu sehen war besser als erneut mit einem Stephen Garther zusammenzutreffen.
In der heute hochkochenden Streitsache stand Belian nämlich eindeutig auf Nivens Seite, obwohl er sich durch dessen Verhalten und die ihm entgegengebrachte Abwehr verletzt fühlte. Vorhin hatte er einen Sanitäter der Vietnam nach seinem Freund gefragt, war aber nach dem Verweis auf ein anderes Krankenzimmer eben dort brüsk abgewiesen worden. Das würde aber schon wieder in Ordnung kommen. Hoffentlich wieder in Ordnung kommen. Vielleicht wenn sie nachher alle zusammen zum Hilfsschiff zurückkehrten. Zuerst stand jedoch noch die Sache mit Commodore Yon an, und
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