Die neue Hoffnung der Föderation (Der Dezennienkrieg 1)
rebellische Tochter in seinem aus Wut über Pauls Verschleppung resultierenden Wahn getreten und geschlagen, bis Louise schließlich unter größten Schmerzen gestorben war? Oder hatte er den Familiendegen benutzt, der außer zur wöchentlichen Politur nur für Duelle von der Wand in der Festhalle genommen wurde? Oder hatte er einem dreizehnjährigen Mädchen Dinge angetan, die noch viel schlimmer waren? Diese Fragen quälten Belian bis ins Unermessliche. Tag und Nacht.
Als er irgendwann nach einer ewig langen Zeit unter der Dusche in dem frisch angezogenen von seinen beiden Fitnessanzügen ins Krankenzimmer zurückkehrte, fand er dort anstatt des ihn mittlerweile beinahe permanent betreuenden Crewman Derijaschenko einen William Heathen vor.
Dessen Blick war sogar noch schlimmer. Mitleid, der Wille irgendwie zu helfen, Niedergeschlagenheit, Trauer um Jeffrey Abraham und gleichfalls Schuld. Ein lebendiges schlechtes Gewissen.
Sie wechselten kein Wort der Begrüßung. Stattdessen setzte der Captain sich ohne die bei ihm lehnende Krücke zu benutzen auf das von Derijaschenko frisch bezogene Bett und deutete von dort aus auf den Stuhl. Der ranghohe Offizier, der für Belian nur ein ehemaliger Leidensgefährte war, hatte sich vorbereitet. Mehrere Lagen Papier und der dem jugendlichen Einheimischen einst so verhasst gewesene Kamm lagen auf der gefalteten Decke der Lagerstatt bereit.
Wie gewollt setzte der Zimmerbewohner sich, damit der Terraner beginnen konnte. Nach einer langen Berührung der Schulter bewaffnete Heathen sich mit dem Entlausungswerkzeug und fing an.
Mehrfach schien der Captain tief Luft zu holen und etwas sagen zu wollen, aber stets schwieg er doch weiter.
Etwa bis zur Hälfte der Behandlung. „Etienne, ich weiß nicht, wie ich anfangen soll.“
Obwohl er so gut wie gar nicht mehr sprach, zwang Belian sich zur Antwort. Was waren schon Worte? Sie wurden Louise doch nie gerecht. „Bitte, William. Spar es dir. Andreas, Julien und Francis haben vorgestern bereits alles gesagt. Ich weiß, du fühlst genauso. Danke dafür.“
Heathen stieß einen englischen Begriff hervor, der wie ein Fluch klang. Ein sehr verzweifelter. Die Stimme war allerdings frei davon. Jedoch nicht von Vorwürfen, die immer stärker wurden.
„Natürlich, aber es geht um etwas anderes. Leider. Ich muss dir etwas sehr Unangenehmes beibringen…“
Was konnte schon schlimmer sein als Louises Tod? Als jene grauenvolle Leere? Heathen musste sie wegen Jeffrey Abraham gleichfalls in sich tragen. Der einstige Leutnant und Belian waren geeint in der Trauer um Menschen, die ihnen sehr nahegestanden hatten.
„… und ich kann und will es im Grunde nicht!“ Ein einziger Vorwurf und noch dazu Zorn.
„Ich muss derjenige sein, der es dir sagt, aber ich habe mich gestern den ganzen Tag darum gedrückt! Es tut mir leid, du darfst niemals denken, ich hätte mein erstes Schiffskommando so erlangt! Ich war bis zum Schluss dagegen, aber Commodore Yon hat Recht gehabt. In einem anderen Punkt! Wir können dich nicht nach Nouvelle Espérance zurückschicken. Du bist staatenlos.“
Nichts hätte Belian so egal sein können wie seine Nationalität. Was sollte er auf Nouvelle Espérance? Höchstens einen möglichst schnellen Tod sterben. Oder aber danach trachten, den Duc d’Auvergne mitzunehmen, wie er es Louise eigentlich schuldig wäre. Nur wie? Sobald er als geächteter Verräter den Planeten beträte, würde er geliefert sein und nicht einmal in die Nähe dieses grausamen Mörders kommen!
Noch immer redete Heathen allein in sonderbarem Ton.
„Deshalb und weil man dich auf deiner Heimatwelt verfolgen und umbringen will, wirst du den terranischen Pass erhalten Außerdem... ich schwöre dir bei Jeffrey und meiner Frau, dass ich das nicht wollte… wirst du mit achtzehn in unsere Navy gepresst.“
Nun stieß der Captain die Worte geradezu hervor:
„Die anderen wissen es noch nicht. Ich konnte es ihnen noch nicht sagen, weil sie mich lynchen würden. Gerade Julien… und Kristian, wenn er es irgendwann erfährt. Der Commodore sagte nämlich, du seist nicht der Einzige, dem es je passiert wäre. Das stimmt auch, aber es hätte nicht sein müssen! Nicht sein dürfen! Nicht bei dir! Nicht nach allem und schon einmal überhaupt nicht angesichts dem, was Alpha Centauri…“
Wie ein kontinuierliches Rauschen erreichte die Stimme Belians Ohren. Heathen hatte mittlerweile ganz mit dem Kämmen aufgehört und stieß ihn irgendwann an.
„So sag
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