Die neue Lustschule
wird. Je mehr sexuelle Ladung dann nach vorheriger Stressentladung ermöglicht wird, desto größer kann auch die Lust der Entladung werden und infolgedessen eine möglichst umfassende, ganzkörperliche Entspannung. Wer im Stress ist, Ärger und Kummer hat, sollte dadurch nicht sein sexuelles Lustpotenzial dämpfen lassen, sondern sich möglichst vorher verbal und emotional abreagieren.
5.
Tiefenatmung
– eine ruhige, tiefe Atmung, die Bauch- und Brustatmung umfasst[ * ] – ist der beste und sicherste Weg, um Gefühle zu aktivieren. Dies trifft auch auf sexuelle Lust zu. Die Lust kann sich nur bei tiefer Atmung entfalten und wird bei flacher Atmung gebremst. Will man Gefühle kontrollieren und unterdrücken, muss man nur die Luft anhalten.
Dies tun leider auch viele bei sexueller Erregung: Sie atmen nur noch kurz und flach oder halten die Luft vollständig an. Im Grunde handelt es sich dabei um einen Schutzreflex, um zu hohe Erregung zu verhindern – ein Ausdruck von Lust- und Hingabeangst. Diese Angst, die den Hals eng macht und die Atmung und das Tönen einschnürt, soll verhindern, dass aufgestaute Gefühle früher Verletzungen durch die sexuelle Erregung mitgerissen werden.
Die wichtigste Erfahrung aus meiner psychotherapeutischen Praxis ist, dass unverarbeitete frühkindliche seelische Verletzungen und Beziehungsdefizite als erstarrte Gefühle im Körper somatisiert sind – als Muskelverspannung, als chronifizierte Körperhaltung, als körperliche Organbeschwerden, als funktionelle Gegenreaktion gegen emotional bedingte Bewegungsimpulse (z.B. Atem anhalten, Arme verschränken, Beine übereinanderschlagen, Fäuste ballen, mit den Füßen wippen, schnelles Zittern der Beine, Kopf einziehen, Schultern hochziehen). Den Atem anzuhalten ist eine der wesentlichen funktionellen Reaktionen, mit dem Ziel, affektiv hoch besetzte Erregung zu dämpfen. Aber eine hohe Erregung ist wichtig für sexuelle Lusterfahrung. Deshalb istdie vertiefte Atmung beim Sex ein ganz wichtiges Transportmittel der Lust. Wem es nicht gelingt, beim Sex die Atmung tief und offen zu halten, dem ist körperpsychotherapeutische Hilfe anzuraten.
6.
Ton geben
, das heißt laut stöhnen und Lustschreie zulassen. Mit dem Öffnen der Kehle und dem Tönen bekommt die Lustenergie befreienden Ausgang auch nach oben. Der Lustwelle, die mit den rhythmisch-reibenden Bewegungen der Genitalien bzw. an den Genitalien beginnt und sich über Becken, Bauch und Brustkorb nach oben ausbreiten will, wird mit dem Tongeben gewissermaßen der «Korken» gezogen, so dass sie sich voll entfalten kann. Dies kann jeder an sich erfahren und erproben, indem er beim Erregungshöhepunkt die Luft anhält und verstummt oder weiter atmet und der Lust eine tönende Stimme gibt – der Unterschied wird jeden überzeugen. Leise zu bleiben ist ein Symptom der Sexualunterdrückung und lustfeindlichen Erziehung. Vielen fällt es schwer, Lustlaute von sich zu geben. Zu tief sitzen Einschüchterung und aufgenötigte Scham. Durch entsprechende Bemerkungen oder gar Vorwürfe und Ermahnungen etwa von Nachbarn oder Familienangehörigen wird diese Lusthemmung häufig noch bestärkt und auf diese Weise immer weiter verfestigt. Deshalb empfiehlt es sich, für sexuelle Aktivitäten Orte zu wählen oder Zimmer der Wohnung so einzurichten, dass man keine Scheu vor ungebetenen Zuhörern haben muss. Am häufigsten sind es ja die Kinder, die akustisch mitbekommen, was im Schlafzimmer der Eltern geschieht. Dann ist es sowieso das Beste, sie auch entsprechend zu informieren: «Wir machen Sex und wollen dabei ungestört bleiben. Wenn ihr Stöhnen und Schreie hört, dann haben wir ein besonderes Vergnügen dabei, auch wenn es manchmal etwas komisch oder bedrohlich klingen mag.»Bei der Entscheidung, leise und heimlich sexuellen Verkehr zu haben oder die Kinder angemessen und altersgerecht aufzuklären, gibt es im Grunde keine wirkliche Wahl, weil man sich mit der Heimlichkeit nicht nur wichtiger Aspekte des Lusterlebens beraubt, sondern den Kindern auch die Vermittlung eines natürlichen Umgangs mit einer der wichtigsten Lebensäußerungen verweigert. Man darf heutzutage sicher sein, dass Kinder sowieso alles wissen, die Informationszugänge sind nicht mehr zu verhindern – und warum auch? –, aber die Qualität des Wissens und vor allem des Verstehens bleibt eine große Unsicherheit, die nur durch angemessene kindgerechte Offenheit der Eltern zu klären ist. Werden Kinder im Unwissen
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