Die neue Lustschule
kritisieren, zu belehren oder zu bewerten, hat jeder die Möglichkeit, sich selbst zu reflektieren und ohne Furcht sich dem anderen mitzuteilen. Auf diese Weise kann man das eigene Befinden und die eigenen Vorstellungen gut artikulieren und erfährt Analoges vom Partner. Übereinstimmungen und Unterschiede werden deutlich. Ein Zwiegespräch bildet die Grundlage für Verhandlungen über das geplante sexuelle Geschehen, die zugleich das erotische Vorspiel beleben.
3. Verhandlungen über die sexuelle Praxis
Ich weiß, es klingt wenig romantisch und reichlich geschäftsmäßig, aber bei regelmäßigem Sex ist Verhandeln die beste Grundlage, um die Lust nicht mit Gewohnheit und Langeweile zu ersticken, sondern mit immer wieder neuen Konstellationen das Sexualleben abwechslungsreich zu gestalten und die unterschiedlichen Bedürfnisse, so gut es geht, aufeinander abzustimmen. Verhandlungen verlangen vom Einzelnen, eigene Einfälle, Wünsche und Phantasien zu entwickeln und die des Partners zu berücksichtigen. Variabilität erhält die Lust und die Beziehung. Große Unterschiede zwischen den Partnerwünschen und festgelegtes Verhalten machendagegen auf mögliche Störungen aufmerksam, die der therapeutischen Beratung bedürfen oder einfach auch ein Hinweis darauf sind, dass weder die sexuelle Praxis noch die partnerschaftliche Beziehung des betreffenden Paars Lust und Liebe eine gute Chance geben, sich zu entfalten.
Unterschiede im sexuellen Verhalten lassen sich analysieren und im Falle einer Störung auch therapeutisch verändern. Dennoch wird es stets auch Verschiedenheiten geben, die sich nicht weiter analysieren und modifizieren lassen, über die man eben nur verhandeln kann, vorausgesetzt, beide haben gute Gründe, trotz aller Differenzen zusammenzubleiben. Ein häufiger Konflikt besteht beispielsweise darin, dass er häufiger Sex will als sie. Er könnte gekränkt und enttäuscht sein, sie könnte sich bedrängt fühlen und sich noch mehr zurückziehen. Er könnte Gründe haben, seine Probleme und Minderwertigkeiten zu sexualisieren, und sie könnte Gründe haben, ihre Ablehnung als Machtmittel zu gebrauchen. Dann sollten beide eine Therapie in Anspruch nehmen. Liegen solche Gründe aber nicht vor, gibt es nur eine Lösung, nämlich dass er sein Frequenzbedürfnis senkt und sie ihres erhöht, was bei einer geklärten Beziehung, die frei ist von Minderwertigkeit, Kränkung und Machtgelüsten, beiden nicht so schwerfallen wird. Und natürlich kann man gemeinsam herausfinden, was es ihm erleichtert, auch mal zu verzichten, und ihr ermöglicht, seinen Wünschen zu entsprechen. Ein guter Nebeneffekt ist, dass dieses Spiel mit Einsicht, Verzicht, Verführung, Zustimmung, Durchsetzung und allerlei Handel das sexuelle Erleben auffrischt und die Beziehung lebendig erhält.
Im gesunden Sexualleben verfügt jeder über eine große Bandbreite sexueller Aktivitäten, so dass es, Rücksicht auf die beiderseitigen Bedürfnisse vorausgesetzt, im Grunde kein größeres Problem sein dürfte, gut zusammenzufinden. Manmuss sich nur mitteilen und verhandeln. Auf der Grundlage gegenseitiger Zuneigung und der Erfahrung, dass Sex in erster Linie dem körperlichen, seelischen und beziehungsdynamischen Wohlbefinden dient, ist die Chance gelingender Abstimmung sehr hoch. Und wenn nicht, liegen tiefere, ungeklärte, meist unbewusste innerseelische oder beziehungsdynamische Gründe vor, angesichts derer die Sexualität nur Mittel zu dem Zweck ist, ihnen die Möglichkeit zur Artikulation zu verschaffen. Dann hat man auch kein sexuelles, sondern ein Beziehungsproblem oder einen innerseelischen Konflikt.
4. Korrigierende Kommunikation
Sich mitzuteilen und über die geplante sexuelle Aktivität zu verhandeln ist ein wunderbares Vorspiel. Den Vergleich mit guten «Geschäftsbeziehungen» sollte man dabei nicht überstrapazieren, denn im Verlauf eines erotisch-sexuellen Geschehens entwickeln sich immer spontane Variationen zu der vorab abgesprochenen Dramaturgie.
Ist dieses Geschehen erst einmal in Gang gekommen, fällt es den Beteiligten meistens leichter, zu experimentieren, sich vom anderen anregen und mitnehmen zu lassen oder selbst etwas durchzusetzen: Das sexuelle Vergnügen verändert das Bewusstsein. In diesem Fall wird man mit oder ohne sprachliche Verständigung den Ablauf nach spontanen Einfällen und Gelüsten gestalten, durch Geschehenlassen und Mitmachen Zustimmung oder mit kleinen Hinweisen Ablehnung signalisieren bzw.
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