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Die neue Menschheit

Die neue Menschheit

Titel: Die neue Menschheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chad Oliver
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Seine Vertreter würden kommen.
    Aber wann? Die Logik sagte, daß es ziemlich bald sein würde, aber das war relativ. Eine Woche, ein Monat, ein Jahr – für Ira Luden machte das keinen großen Unterschied.
    Sehr wohl aber für Varnums Leute, die in der Höhle abwarten mußten. Varnum wußte nicht, wie lange er sie hier festhalten konnte. Es gab keine Möglichkeit, es ihnen richtig zu erklären. Sprache funktionierte nicht einseitig. Er konnte zwar senden, aber seine Leute waren nicht imstande zu empfangen.
    Noch nicht.
    Varnum ging von einer Ahnung aus. Mehr als einer Ahnung. Einer überwältigenden Besorgnis, einer gewaltigen Vorahnung.
    Er hatte sie dort oben gespürt. Er spürte sie jetzt.
    Etwas hing im fernen grauen Himmel. Etwas trieb über dem Regen, jenseits des schützenden Felsdachs …
     
    Die Zeit verstrich langsam. Nachdem die Neuheit der Situation ihren Glanz verloren hatte, setzte die Eintönigkeit des Gleichbleibenden ein. Es lag daran, daß es nichts zu tun gab.
    Varnums Leute hatten ein aktives Leben geführt. Sie waren die Herausforderungen des Lebens gewöhnt, an Mühe und Anstrengung – und an Freiheit. Sich ausruhen zu können, war ein paar Tage lang schön. Es war angenehm, so viel zu essen zu haben und in Greifweite, angenehm im Warmen und Trocknen zu sitzen. Es war vergnüglich, Zeit für Sex zu haben.
    Aber man kann nicht die ganze Zeit essen.
    Und für Sex gibt es biologische Grenzen.
    Die Leute langweilten sich und waren gereizt.
    Varnum schätzte, daß die Bevölkerung sich innerhalb des Jahres beachtlich erhöhen würde. Keine der Kinder würden jedoch von ihm sein. Dieh hatte ihm nicht verziehen, und er hielt sexuellen Abstand von ihr. Das fiel ihm nicht schwer. Sein Verlangen nach ihr war nicht groß, und die anderen Frauen in der Höhle zogen ihn nicht an. Es lag nicht daran, daß er so alt wurde. Sein Problem waren die Erinnerungen an andere Frauen. Sie waren es, die er jetzt begehrte. Sex war mehr als die Vereinigung ungewaschener, ungezieferbehafteter Leiber auf dem Felsboden einer Höhle. In dieser Beziehung war Varnum nie auf Natur versessen gewesen, sondern eher auf einen luxuriösen Hintergrund. Tatsächlich war das seine einzige echte Versuchung. Nichts Kosmisches. Nichts, was das Schicksal der menschlichen Rasse beeinflussen würde. Nichts Philosophisches oder Tiefgründiges. Er wünschte sich nur eine schöne, gepflegte, feinsinnige Partnerin im Liebesspiel. So sehr wünschte er sich sie … Wenn er nur eine kurze Weile zurückkehren könnte, einen Urlaub von hier nehmen …
    Doch das war unmöglich.
    Er war, im wahrsten Sinne des Wortes, ein schmutziger alter Mann. Und daran war nichts zu ändern.
    Er konnte sich nicht einmal ein paar Drinks gönnen, die helfen würden, die Zeit zu vertreiben. Es gab keinen Alkohol. Nicht einmal Pfeife rauchen konnte er. Es gab keinen Tabak, keine Pfeife.
    Ein paar Vorteile hatte die Zivilisation doch.
    Insgeheim amüsiert, ließ er sich ein paar Ideen durch den Kopf gehen.
    »Und nun, zu meinen nächsten Erfindungen …«
    Er schaute sich in der halbdunklen Höhle um, atmete die fettige Luft, trat nach dem flackernden Feuer.
    Er verbrachte viel Zeit mit seinem Sohn. Er benutzte ihn durchaus bewußt, um das Schuldgefühl zu lindern, das ihn seiner Tochter wegen quälte. Der Junge war sehr aufgeweckt und glücklich über die Aufmerksamkeit. Er lernte mühelos sprechen. Varnum brauchte nur zu reden, wo der Junge es hören konnte.
    Er dachte an das Leben, das sein Sohn führen würde. Je mehr er darüber nachdachte, desto unsicherer wurde er. Tat er wirklich das Richtige? Gab er seinem Sohn eine echte Chance, oder nahm er sie ihm?
    Er schüttelte den Kopf. Er war schließlich nicht allwissend. Philosophieren lag ihm weniger als Handeln. Mit Philosophie ließ sich alles rechtfertigen: Handeln und Nichthandeln. Varnum war der einzige, der beide Lebensweisen aus eigener Erfahrung kannte und sich daran erinnern konnte. Er hatte seine Wahl getroffen und war in der besten Position dazu gewesen.
    Nun lag es an ihm, das Beste aus der erwählten Lage zu machen.
    Aber diese Warterei machte ihn verrückt.
    Was war, wenn die Monitoren ihren Auszug aus den Nestern überhaupt nicht aufgenommen hatten? Nun, das Verbindungsteam würde die Nester auf alle Fälle überprüfen. Sie würden ihre Spuren finden: das könnte fast ein Blinder. Und wenn es aufgenommen worden war, würde es die Situation auch nicht sehr ändern. Selbst im Nichtraum würde ein

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