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Die neue Menschheit

Die neue Menschheit

Titel: Die neue Menschheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chad Oliver
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gut.
    Trotzdem. Es war Zeit, das Loch zu versiegeln. Er konnte es sich nicht leisten, länger damit zu warten. Er zwängte sich durch das Loch in die äußere Höhle. Die klamme Kälte schmerzte nach der Wärme der Innenhöhle. Das stumpfgraue Licht genügte zu sehen. Es regnete immer noch. Das Wasser troff und plätscherte vom Felsüberhang. Der Wind stöhnte nur noch kläglich.
    Er wandte sich den Gebeinen ihrer Toten zu. Alles, was sie an Bruchstücken von Gerippen hatten finden können, lag hier. Die von Männern und Frauen und Kindern. Alles durcheinander. Ein paar Totenschädel, einer noch mit dem Unterkiefer, im Gegensatz zu den andern. Einzelne Knochen, ein gebrochener Brustkorb.
    Genug.
    Und die stille starre Leiche seiner Tochter, so dünn, so schrecklich dünn …
    Ihre Augen waren offen. Er sprach kein Schmerz aus ihnen. Nichts.
    Unbeholfen tat Varnum, was er tun mußte.
    Er sammelte die angekohlten spitzen Stecken, die er vorbereitet hatte, und kauerte sich vor eine fast ebene Wand.
    Langsam und mit viel Mühe schrieb er seine Botschaft.
    VIER ÜBRIG. ALLE KRANK. SEUCHE. TOT, WENN SIE ANKOMMEN. ÖFFNEN SIE DEN GANG NICHT. RETTEN SIE DEN PLANETEN, DIE ANDEREN. VARNUM.
    Vielleicht erfüllte es seinen Zweck. Es mußte funktionieren.
    Varnum wußte, daß noch andere Gruppen erinnerungsloser Menschen auf diesem Planeten abgesetzt worden waren. Er konnte sich nicht erinnern, vielleicht hatte er es auch nie gewußt, wie viele.
    Aber die einzelnen Gruppen waren weit voneinander getrennt. Wenn sie überlebt hatten, waren die Chancen, daß eine mit einer anderen in absehbarer Zeit zusammenkam so gut wie Null. Die Situation war in etwa mit der in der Frühgeschichte der Erde vergleichbar. Da war es ebenfalls unwahrscheinlich gewesen, daß ein afrikanischer Buschmann einem nordamerikanischen Indianer begegnete.
    Das bedeutete, daß die Möglichkeit einer Verbreitung der »Seuche« auf natürliche Weise nicht befürchtet werden mußte. Wenn sie vernünftig waren, würden die Männer des Verbindungsteams sich schnell zurückziehen, ins Schiff zurückkehren und ihre Dekontaminationsmaßnahmen durchführen. Es bestand kein Grund, weshalb sie in die innere Höhle durchbrechen sollten. Die Bedrohung durch eine unbekannte Seuche – und eine schnell wirkende noch dazu – in einem geschlossenen Raum war zu groß, ein Risiko einzugehen. Leichen nutzten ihnen nichts. Und wenn sie eine Leiche brauchten, so war hier eine noch erhaltene für sie.
    Und Varnum war tot. Das Verrieten seine letzten Zeilen. Er hatte seine Wahl getroffen. Die Abmachung war eingehalten worden.
    Selbst wenn sie Zweifel haben sollten, blieben ihnen die anderen Gruppen Ausgesetzter. Die eine hier war nicht ausschlaggebend. Sie hatten immer noch ihre kostbaren Experimente.
    Sie würden nicht ins Innere einbrechen.
    Und wenn doch …
    Erstaunt hörte Varnum sich knurren. Er fühlte sich nicht sonderlich zivilisiert.
     
    Er kehrte durch das Loch in die Innenhöhle zurück. Mit der Hilfe von Regenfreund und Späher machte er sich daran, das Loch mit Geröll zu schließen. Die Wand war dick, und er wollte, daß die Versiegelung so dicht wie nur möglich wurde. Es war lebenswichtig, daß keine Geräusche durchdrangen und schon gar keine verräterischen Rauchschwaden. Vor das verstopfte Loch rollten sie noch einen gewaltigen Felsbrocken.
    So weit so gut.
    (Es gab natürlich noch andere Ausgänge aus der Höhle. Varnum hatte keineswegs die Absicht, seine Leute in eine Gruft einzumauern, Strategie oder nicht. Den Eingang am Ende des gut erkennbaren Pfades zu versiegeln, verlängerte lediglich den Weg zu einem Ausgang. Die Höhlengänge, die ebenfalls ins Freie führten, waren lang und krumm, aber sie konnten benutzt werden. Varnum hoffte nur, daß das nicht so schnell der Fall sein mußte. Sie hatten hier ausreichende Vorräte an Nahrung, Wasser und Brennholz. Es war wichtig, daß die Leute nicht gesehen wurden. Selbst die Dümmsten würden sich etwas dabei denken, wenn angeblich von einer Seuche Dahingeraffte jagten und nach Wurzeln gruben.)
    Das Problem war nun die Zeit des Wartens.
    Wie lange? Auf diese Frage konnte es nur eine Antwort geben: so lange wie nötig.
    Und Varnum konnte sich bloß nach der Zeit richten, als seine Erinnerung zurückgekehrt war. Das war im voraus berechnet worden. Ira Luden hatte ihm gesagt, daß man sich danach mit ihm in Verbindung setzen würde. Auf seine Art war Ira Luden ein Mann von Wort. Es hatte eine Menge Publicity gegeben.

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