Die neue Menschheit
einen Einfall, der nicht kam.
Und weil ihm nichts einfiel, griff er nach dem Speer. Er fühlte sich beruhigend und zuverlässig an. Er forderte kein Denken.
Aber er konnte ihn nicht benutzen.
Noch nicht.
Den ganzen Tag faselte er von den leuchtenden Städten. Seine Ausdauer war unglaublich. Er war krank, glühte vor Fieber. Er trank Wasser aus dem Bach, bis sein Bauch angeschwollen davon war, aber er aß nichts.
Etwas hielt ihn auf den Beinen.
Vergiftete den großen Traum …
Warum starb er nicht?
Das wäre so einfach. Alles würde sich in Wohlgefallen auflösen.
Aber Spürblut starb nicht. Nein, doch nicht er! Er hatte die Vision gesehen, und sie hielt ihn am Leben.
Den ganzen Tag, eine schlimme Nacht hindurch und einen weiteren endlosen Tag …
Als die nächste lange Nacht kam und die Feuer zu schwelender Glut niederbrannten, rührte sich plötzlich etwas im Lager der Leute.
Es war nicht Varnum, der handelte. Er war in einen unruhigen Schlaf mit Dieh gefallen und beschäftigte sich im Traum immer noch mit undurchführbaren Alternativen.
Es war Spürblut, der sich rührte.
Er explodierte.
Ein Führer ohne Gefolgsleute befindet sich psychologisch in einer unmöglichen Lage. Ein Mann mit einer Vision kann dem Wahnsinn verfallen, wenn andere nicht sehen, was er sieht.
Und Spürblut war krank.
Eine lange Zeit – ihm schien es eine Ewigkeit zu sein – hatte er versucht, sich mit seinem Volk zu verständigen. Er brannte vor erinnerten Träumen. Wenn das Volk ihn nur verstände! Er könnte es zu einer Welt führen, die über ihr Vorstellungsvermögen weit hinausging. Es würde keine Härten mehr geben, keine Entbehrungen, kein Leben wie Tiere.
Aber die Leute, sein Volk, verstanden ihn einfach nicht.
Sie hörten ihm zu und wandten sich ab. Nach einer Weile, als sein Geplappere den Reiz der Neuheit verloren hatte, verlor er auch ihr Interesse.
Er wurde lästig.
Er wurde unerträglich.
Spürblut erwachte aus seinem Schlaf, der einem Koma nahe gewesen war, mit fester Entschlossenheit. Er hatte genug vom Reden, genug, die anderen überzeugen zu wollen.
Die leuchtende Stadt flammte in seinem Gehirn.
Spürblut hatte zwei Kinder, einen Jungen und ein Mädchen.
Er würde sie retten, sie zurückbringen. Sein eigen Fleisch und Blut. Das schuldete er ihnen. Sie konnten sich nicht weigern mitzukommen. Sie gehörten ihm. Sie würden dankbar sein. Sie würden glauben, weil sie glauben mußten.
Und sie würden ein Wunderland sehen …
Für ihn war es eine völlig vernünftige, ja unvermeidliche Entscheidung.
Wenn er nicht alle des Volkes retten konnte, weil sie sich in ihrer Blindheit weigerten, ihm zu folgen, auch gut. Sie hatten sich von ihm abgewandt und verdienten ihr Los.
Er würde nur seine Kinder retten.
Weißhaar war ihm gleichgültig. Sie und ihr gewissenhafter Schwamm! Er wußte von Späher. Sollten sie doch als Wilde beisammenbleiben! Sie hätte ihn behalten können, einen großen Mann, der sie durch den Himmel bringen konnte. Sie zog einen Niemand vor.
Törin!
Die Kinder würden es zumindest besser haben. Ja, ihr Vater war ein großer Mann.
Er würde die Kinder mitnehmen.
Jetzt gleich!
Unglücklicherweise wollten Spürbluts Kinder nicht gerettet werden. Sie wußten gar nicht, daß es etwas gab, wovor eine Rettung nötig war. Das hier war die einzige Lebensweise, die sie kannten, und sie gefiel ihnen.
Von größerer Bedeutung noch – denn Kinder denken nicht in großartigen Abstraktionen, dazu sind sie zu weise –, sie fürchteten sich vor Spürblut. Das war nicht immer so gewesen. Spürblut war ihr Vater, und er war ein gütiger Mann gewesen, keineswegs ein Held. Sie hatten ihn gern gehabt, geliebt wäre zuviel gesagt. Sie hingen mehr an ihrer Mutter, die sich immer weit mehr als er mit ihnen beschäftigt hatte. Aber Spürblut war der Gefährte ihrer Mutter gewesen, so war es eben, und er hatte zum gemeinsamen Nest gehört.
Durch seine Krankheit hatte Spürblut sich jedoch verändert.
Er war nicht mehr der sanfte Mann, der er gewesen war, solange sie sich zurückerinnerten.
Das hier war ein Fremder, ein Fremder, aus dessen Augen der Wahnsinn funkelte. Ein Fremder, der seltsame Dinge brabbelte und Worte brüllte, die sie nicht verstehen konnten. Ein Fremder aus einem der Alpträume, wie auch Kinder sie kennen …
Als dieser Fremde mitten in der Nacht nach ihnen griff, stöhnend und ächzend, am ganzen Leib zuckend und schweißbedeckt, reagierten die Kinder auf ihre Weise.
Sie
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