Die neue Rasse
dem Kristallglas, das noch zwischen ihnen auf dem kleinen Tisch stand, und nippte von der bernsteinfarbenen Flüssigkeit darin. Lange Minuten maß er den anderen, der sich noch immer mit fast wissenschaftlich anmutendem Interesse im Raum umsah, nur mit Blicken.
»So bist du also ein Vampir«, sagte Nomad schließlich. »Aber du scheinst mir so viel anders als deine ... Brüder und Schwestern.«
»Sie sind nicht meine Brüder und Schwestern«, erwiderte der andere.
»Nein?«
Der >Priester< schüttelte den Kopf.
»Sie gehören zu einem sterbenden Volk. Ich bin der erste einer neuen Rasse. Ihr Gründer.«
»Woher kommst du?« fragte Aaron Nomad und trank einen weiteren Schluck. »Es tut mir leid, dir nichts anbieten zu können. Aber auf Gäste wie dich bin ich leider nicht eingerichtet.«
Er wies mit dem Glas entschuldigend auf die reichbestückte Bar im Hintergrund der Kabine, die in ihrer noblen Ausstattung jeden zufälligen Besucher überraschen mußte.
»Ich habe mich schon bedient«, erwiderte der Vampir. Beiläufig fuhr seine Zungenspitze über die farblosen Lippen.
»Witz hast du also auch«, bemerkte der Captain mit einem knappen Lächeln, das sich allein auf seinen Mund beschränkte.
»Ich wurde geboren ...«, antwortete der Bleiche schließlich und schwieg einen Moment, suchte nach weiteren Worten, die ihm noch nicht in erforderlichem Maß zur Verfügung standen. »Ich wurde geweckt mit Blut. Doch etwas anderes kam hinzu. Etwas, das meinen Blick noch immer trübt .«
»Dann bist du dir also nicht sicher, was der Sinn deiner Existenz ist?« half Nomad aus.
Der andere sah ihn bestimmt an.
»Doch, das bin ich. Meine Aufgabe ist es zu leben und eine neue Rasse zu begründen. Eine bessere, lebenstüchtigere, als es die alte war.«
»War?«
»Sie ist ...«, setzte der Vampir an.
»Was ist sie? Ausgestorben?«
»Nein. Sie ist bedroht vom Untergang.«
»Warum?« wollte Nomad wissen. »Wer oder was könnte die Herren bedrohen, die seit Anbeginn der Zeit aus dem Geheimen über die Welt herrschen?«
»Sie vermögen sich nicht mehr fortzupflanzen«, antwortete der Bleichhäutige. »Doch da ist noch etwas anderes .«
Er verstummte und lauschte sichtlich in sich hinein, suchte in vorhandenem Wissen, ordnete es, um eine Antwort daraus zu formen. »Was mich geweckt hat, stellt zugleich die Gefahr dar«, sagte er dann.
»Es fällt mir schwer, das zu verstehen«, bekannte der Captain. »Aber bist du denn resistent gegen diese Gefahr? Und vermagst du dich fortzupflanzen?«
»Mit meiner Geburt wurde der Einsatz des Kelches hinfällig«, er-klärte der Vampir, und hinter seinen unbewegten Zügen erkannte Nomad, daß er selbst nicht wirklich wußte, wie alles zusammenhing. Weil es für das, was er tun sollte, nicht wichtig war? Vermutlich.
»Ich pflanze mich selbst fort«, sprach der andere weiter.
»Du pflanzt dich selbst fort?« hakte Nomad nach.
Der Vampir nickte. »Aus mir.«
»Du bist ein rätselhaftes Geschöpf«, meinte Nomad und ließ sich zurücksinken, dabei den Vampir - diesen höchst merkwürdigen Vertreter seiner Art, der nichts gemein hatte mit all jenen, die No-mad im Laufe der Zeit kennengelernt hatte - nicht aus den Augen lassend. Dieser da kam ihm auf eine ganz anrührende Weise unbefleckt und unschuldig vor wie ein Kind ...
»Was wirst du jetzt tun?« fragte er sein Gegenüber.
»Ich werde mich weiter vorbereiten auf die Gründung einer neuen Rasse«, erwiderte der Vampir. »Hier bei euch werde ich meine Möglichkeiten erproben und vielleicht schon den Grundstein legen.«
»Du willst neue Vampire schaffen?«
»Das habe ich bereits getan. Und nun werde ich gehen, um zu sehen, wie weit meine Anstrengungen gediehen sind.«
»Laß mich dich begleiten«, bat Nomad.
Die Ahnung der Angst und des Schreckens, die der Vampir unter der Besatzung verbreiten mußte, faszinierte Aaron Nomad.
Und er wollte das Gefühl bis zur Neige auskosten .
*
Zebuion sah von seinem Thron aus hinab auf sein Volk. Und er sah es sterben. Langsam, qualvoll dahinsiechen.
Im flackernden Schein der Feuer, die ringsum an den Wänden des domartigen Raumes brannten, kauerten die Zurückgekehrten auf dem steinigen Boden und wanden sich in Krämpfen. Das Würgen und Stöhnen, mit dem sie das draußen getrunkene Blut erbrachen, füllte den gewaltigen Raum fast wie einer jener Chöre, die Zebuion manchmal zu ihrer aller Amüsement hier hatte auftreten lassen.
Zu solchen vielfältig lustvollen Sinnesfreuden würde es
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