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Die neue Umverteilung: Soziale Ungleichheit in Deutschland (Beck'sche Reihe) (German Edition)

Die neue Umverteilung: Soziale Ungleichheit in Deutschland (Beck'sche Reihe) (German Edition)

Titel: Die neue Umverteilung: Soziale Ungleichheit in Deutschland (Beck'sche Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Ulrich Wehler
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Risikoanpralls. Der Charakter der Stratifikationsordnung wird daher, um das Mindeste zu sagen, durch Begriffe wie Risikogesellschaft, die durchaus zeitgenössische Ängste treffen und deshalb ein Echo finden, nicht von ferne getroffen.
    An anderen Problemen sind bisher Großtheorien wie etwa die Systemtheorie von Niklas Luhmann gescheitert. Zum einen bewegt sie sich gewöhnlich auf einem so hohen Abstraktionsniveau, dass es bisher nicht möglich gewesen ist, sie auf die tiefer liegende Ebene einer theoretisch angeleiteten historischen Forschung zu transferieren. Außerdem ist der von Luhmann unterstellte Evolutionstrend von der sogenannten «Stratifikation» vormoderner Verbände zur sogenannten «Differenzierung» moderner Gesellschaften eine Fehlkonstruktion, die von der Sozialgeschichte widerlegt wird. Zum anderen operiert Luhmann mit selbstreferenziellen Akteuren und der Autopoeisis des Sozialsystems, was vor allem darauf hinlenkt, wie «Wirklichkeit» jeweils entworfen und verstanden wird. Die kausal-funktionale Frage nach dem Woher, nach den Ursachen und restriktiven Bedingungen wird daher ausgeblendet. Während die Juristen mit der Systemtheorie Luhmanns offenbar produktiv arbeiten können, erweist sie sich für die historisch-sozialwissenschaftliche Ungleichheitsforschung als ein stumpfes Instrument – mit Ausnahme freilich jener Anregungen, die auch von ihr, die kulturwissenschaftlichen Impulse verstärkend, zugunsten einer Analyse der Selbstbeschreibung von Gesellschaften ausgegangen sind. Im Grunde bleibt Luhmann ein philosophischer Sozialtheoretiker, der vielleicht – wie das in der Wissenschaftsgeschichte öfters vorkommt – nach einer längeren Inkubationsphase die empirische Forschung doch einmal anzuleiten vermag.
    Die Geschlechtergeschichte ist, obwohl die bipolare Welt der beiden Geschlechter nach ihrer symmetrischen Analyse verlangt, ziemlich lange auf die Frauengeschichte eingeengt worden. Das ist wegen der politischen Emanzipationsziele namentlich der feministischen Sozial- und Geschichtswissenschaftlerinnen, aber auch wegen des immensen Nachholbedarfs verständlich. Es hat jedoch zu einer Verzerrung der Proportionen und des Urteils geführt, häufig etwa im Sinne einer universalhistorischen Leidensgeschichte. Darunter hat die historische Analyse der geschlechtsspezifischen Dimensionen Sozialer Ungleichheit erheblich gelitten. Auch ist der uralte Streit, ob man den Einfluss der genetisch kodierten Veranlagung oder des Sozialmilieus höher zu veranschlagen habe, in der postmodernen Debatte über den Vorrang der soziokulturellen Geschlechtskonstruktion (die besonders Judith Butler auf eine neue Höhe dogmatischer Verabsolutierung getrieben hat) oder des individuellen Erbes fortgesetzt worden. Das ist weder der erkenntnistheoretischen Konstruktionsarbeit noch der empirischen Erforschung weiblicher Ungleichheitslagen zugute gekommen.
    Inzwischen ist jedoch die Korrektur mancher Einseitigkeiten in Gang gekommen, obwohl auf der anderen Seite auch die ideologische Extremisierung noch anhält. Immerhin gewinnt die realistische Auffassung an Boden, dass die Welt der Geschlechter einer Ellipse mit zwei Brennpunkten gleicht, mithin auf die Dauer als Frauen- und Männergeschichte zugleich analysiert werden sollte. Wenn das, wie in neueren Studien, theoretisch und empirisch umsichtig geschieht, brechen sogleich tradierte Stereotypen der älteren feministischen Interpretation (stabile weibliche und männliche Geschlechtscharaktere, öffentliche = männliche, private = weibliche Sphäre usw.) so eklatant zusammen, dass sie durch eine realitätsnähere Deutung ersetzt werden müssen. Nötig ist aber außer der mittlerweile etablierten Frauengeschichte vor allem eine ebenso kritische Männergeschichte, damit dann die naive Selbstverständlichkeit der männlichen Perspektive aufgelöst und die geschlechtsspezifische Prägung vieler Ungleichheitsdimensionen ausgewogen und glaubwürdig erfasst werden kann. Vorerst bleibt sie im Vorfeld analytischer Stringenz, einem bunten Kaleidoskop von Beschreibungen und Interpretationen der Umstände gleichend, wie Soziale Ungleichheit von Frauen erfahren und durch ihre geschlechtsspezifischen Positionszuweisungen geprägt worden ist, häufig stecken.[ 6 ]
    Seit geraumer Zeit ist eine theoretische, methodische und empirische Herausforderung der modernen Stratifikationsforschung, wahrscheinlich ihr attraktivstes neues Modell, mit dem Werk von Pierre Bourdieu verbunden, der

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