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Die neue Weltliteratur und ihre großen Erzähler

Die neue Weltliteratur und ihre großen Erzähler

Titel: Die neue Weltliteratur und ihre großen Erzähler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Löffler
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Lebensgrundlage der Bauern und Fischer im Delta zerstören und das Leben der Menschen und der gesamten Tierwelt in der Region gefährden, rebellieren seit mindestens zwei Jahrzehnten friedliche Öko-Aktivisten (aber auch Militante) gegen den Staat und die Ölkonzerne. Der prominenteste unter ihnen war Ken Saro-Wiwa, Universitätsdozent, Verleger, Schriftsteller, Minister und Politiker. 1941 im Nigerdelta geboren, als Angehöriger des Volksstammes der Ogoni, demonstrierte er mit seiner Ogoni-Bürgerrechtsgruppe friedlich gegen die Umweltzerstörung und für die Beteiligung der Bevölkerung an den Öleinnahmen. Seit Anfang der 1990er Jahre organisierte er den Widerstand gegen Ölfördergesellschaften wie Shell. 1994 erhielt er für sein Engagement für Umweltschutz und Menschenrechte den Alternativen Nobelpreis und wurde für den Friedensnobelpreis 1996 nominiert. Dessen ungeachtet wurde er 1995 in einem Schauprozess zum Tod verurteilt und zusammen mit acht anderen Umwelt-Aktivisten seines Stammes hingerichtet. Daraufhin zog sich Shell eine Zeit lang gänzlich aus der Ölförderung im Siedlungsgebiet der Ogoni zurück und einigte sich außergerichtlich auf hohe Entschädigungszahlungen an die Hinterbliebenen der Hingerichteten.
    In seinem letzten Lebensjahrzehnt veröffentlichte Ken Saro-Wiwa in rasanter Folge mehr als zwanzig Bücher – Romane, Theaterstücke, Kurzgeschichten, Glossen, Kommentare. Immer wieder, auch in dem Kurzgeschichten-Band «Die Sterne dort unten», stellt er die explodierende Mammut-City Lagos («die wuchernde Metropole mit ihren eitrigen Kloaken, schwärenden Abfallhaufen und ihren Elendsvierteln») dem rückständigen Hinterland Nigerias gegenüber, mit seinen armen, konservativen Bauern, die an Traditionen und Lebensweisen festzuhalten versuchen, denen keine Zukunft beschieden sein wird. Insofern schreibt Ken Saro-Wiwa Chinua Achebes Roman «Alles zerfällt» fort, der ja bereits die allmähliche Auslöschung der dörflichen Lebenswelten Afrikas thematisiert hatte.
    Poesie und Politik gehen bei diesem rigoros realistischen Erzählerimmer Hand in Hand – nicht selten auf Kosten des Literarischen, da die Passion für Kritik und Aufklärung Ken Saro-Wiwa gern zu leitartikelhaften Kommentaren verführt und dazu, Sachinformationen ohne viel erzählerischen Aufwand direkt in seine Bücher zu hieven. Voll Bitterkeit beschreibt Saro-Wiwa die Bestechlichkeit der Beamten und das Verschwinden von Hilfsgütern in privaten Kanälen und prangert die rücksichtslose Ausbeutung des Erdöls an, dessentwegen die Menschen im Delta «auf eine tierische Existenzstufe reduziert worden» seien. Seine Empörung lässt den Autor auch vor Polemiken nicht zurückscheuen: «Von Rechts wegen standen die Ölgewinne den Menschen zu, deren Äcker und Ländereien verwüstet und zerstört wurden. Aber die Anwälte standen im Sold der Ölgesellschaften, und die Regierungen standen im Sold der Anwälte und der Ölfirmen. Was sollte er da ausrichten?»
    Ob da eine literarisch komplexere, weniger auf ideologische Eindeutigkeit festgelegte Erzählweise etwas ausrichten kann? Helon Habila versucht es, fünfzehn Jahre nach Ken Saro-Wiwas Tod, mit seinem Roman «Öl auf Wasser». Habila, 1967 im Nordosten Nigerias geboren, ist Journalist, Autor und Literaturwissenschaftler, pendelt zwischen Lagos und den USA und unterrichtet derzeit
Creative Writing
an der
George Mason University
nahe Washington. Mit dem Postkolonialismus à la Achebe hat Habila nichts mehr im Sinn. Er zählt sich bereits zur «dritten Generation», die nach der Unabhängigkeit Nigerias geboren wurde – einer Altersgruppe, die den Postkolonialismus hinter sich gelassen hat und im Postnationalismus angekommen ist. Die Nation interessiert ihn nicht mehr; er sieht sich «als Bürger einer Welt, die man sich selbst zu eigen machen darf». Insofern tendiert Habila mit seinem Selbst- und Weltverständnis bereits zu den neuen afrikanischen Kosmopoliten wie Chimamanda Adichie, Taiye Selasi, Kwame Anthony Appiah oder Teju Cole. Sein Nigeria-Bild ist denn auch komplexer und widersprüchlicher als das seiner schreibenden Vorgänger. Das gilt auch für sein Bild von der Umweltkatastrophe im Nigerdelta.
    Der Widerstand dort ist längst nicht mehr nur friedlich. Inzwischen treiben im Delta auch Militante

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