Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
die Zusammenarbeit mit den Indern und Südafrikanern sucht – ohne die Volksrepublik.
Gegen die oft als arrogant empfundenen Chinesen und Inder gibt es in Afrika immer wieder Proteste. Brasilien bleiben solche Vorwürfe weitgehend erspart. Nur manche beklagen, dass sich Rousseff & Co. nicht wirklich um die Entwicklung einer afrikanischen Zivilgesellschaft kümmern. Linke und liberale Afrikaner verweisen darauf, dass ja nur wenige Schwarze in Brasilien zur Oberschicht gehören und das Land für sie weniger durchlässig sei, als es sich nach außen präsentiere. Brasilianer bestreiten das gern und sind in dieser Beziehung sehr sensibel – sie empfinden ihrer Gesellschaft nicht einmal im Ansatz als rassistisch. Schwarze werden in der Tat nicht per Gesetz diskriminiert. Doch Zahlen belegen, dass Weiße »gleicher« sind als die anderen. Dunkelhäutige verdienen durchschnittlich nicht viel mehr als die Hälfte, ihre Wahrscheinlichkeit, einem Gewaltverbrechen zum Opfer zu fallen, ist doppelt so hoch; zwei Drittel der Brasilianer, die unter der Armutsgrenze leben, sind schwarz. »Brasilien lebt mit dem Vorurteil, keine Vorurteile zu haben«, urteilt der Soziologe Florestan Fernandes.
Es kann auch keine Rede davon sein, die brasilianische Politik habe sich als eine Art wohlmeinender demokratischer Riese den Pazifismus auf die Fahnen geschrieben. Rousseff verfolgt wie ihre Vorgänger eine durchaus robuste Militärpolitik. Auch dabei spielt Afrika eine wichtige Rolle. Im Amazonas-Dschungel unterhält Brasiliens Armee besondere Ausbildungslager für Spezialkräfte aus afrikanischen Staaten, vor allem Senegalesen und Angolaner werden da unter Extrembedingungen fit für den Kampf gegen Aufständische gemacht. Anfang 2012 reiste der Verteidigungsminister nach Kap Verde, um Brasiliens starkes Interesse an einem Ausbau der gegenseitigen militärischen Zusammenarbeit zu bekunden. Offiziell geht es dabei nur um Drogenrouten, die Brasília in Westafrika ebenso wie in Ostafrika kontrollieren will. Aber natürlich spielt auch die grundsätzliche Kontrolle der Meere eine Rolle.
Das fünftgrößte Land der Erde hat eine entsprechend große und schlagkräftige Streitmacht. Die Luftwaffe verfügt über zwölf Mirage 2000 und fünfzig F-5 Tiger-Jagdflugzeuge. Das Glanzstück aber ist die Marine mit ihrem Flugzeugträger »São Paulo« und mehreren größeren Kampfschiffen. Durch die Entwicklung atomangetriebener U-Boote will sich Brasilien offensichtlich einen eigenen Sicherheitsraum im Atlantik schaffen – und ist damit auch militärisch auf dem Weg zum Global Player. Strebt Brasilien womöglich noch nach mehr, will die Führung eine Atombombe bauen?
Während der Militärdiktatur von 1964 bis 1985 unterhielt das Land ein langjähriges klandestines Kernwaffenprojekt, wobei ihm wahrscheinlich auch deutsche Fachleute halfen. Die Generale ließen einen Geheimplan für die unterirdische Testzündung eines nuklearen Sprengsatzes im Regenwald des Amazonas entwickeln. Einen 300 Meter tiefen Schacht für eine peaceful nuclear explosion nach indischem Vorbild hatte man auch schon gebaut. Nach Aussage des früheren Präsidenten der Nationalen Kommission für Nuklearfragen stand das Militär Mitte der Achtzigerjahre kurz vor dem Bau der Bombe. Im Zuge der Demokratisierung wurde das Programm dann aber eingestellt, 1988 gab sich Brasilien eine Verfassung, die nukleare Aktivitäten nur noch auf friedliche Zwecke beschränkt, 1998 trat das Land dem Atomwaffensperrvertrag bei. Die Präsidenten des größten lateinamerikanischen Staates unterschrieben aber nie das Zusatzprotokoll zu diesem Vertrag, das den UNO -Inspekteuren von der Internationalen Atomenergiebehörde ( IAEA ) in Wien Inspektionen ohne Vorankündigung erlauben würde. Mehrfach haben die IAEA -Experten ihrem Ärger darüber Ausdruck gegeben; sie gaben zu Protokoll, dass Brasilien sich nicht wie andere vergleichbare Staaten Kontrollen unterziehen wollte.
Hans Rühle, von 1982 bis 1988 Leiter des Planungsstabs im Bundesverteidigungsministerium, äußerte in einem aufsehenerregenden Meinungsbeitrag für den SPIEGEL im Frühjahr 2010 den Verdacht, Brasília habe sein Kernwaffenprogramm wieder aufgenommen, und dafür gäbe es seiner Meinung nach nur eine logische Erklärung: »Das Land entwickelt mit hoher Wahrscheinlichkeit Atombomben.« Einen Beweis für seine These blieb er freilich schuldig. Ebenfalls im SPIEGEL widersprach dann der Strategieminister Pinheiro Guimarães wenige Wochen
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