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Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Follath
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Fall Libyen, so ist es jetzt in Syrien, wo Rousseff die Sanktionen gegen das mörderische Assad-Regime nicht mitgetragen hat und sich ausdrücklich gegen ein Eingreifen aussprach.
    »Wir sind in außenpolitischen Fragen recht promisk. Wir setzen uns an jeden Tisch, der uns angeboten wird«, formuliert es Tovar Nunes, Erster Sekretär im Außenministerium. Das heißt im Umkehrschluss allerdings auch, dass für Brasilien nur verhandelte Lösungen infrage kommen. Das Prinzip der Schutzverantwortung (»Responsibility to protect«), das der Westen verficht und das verpflichtet, bei Völkermord, ethnischen Säuberungen und Kriegsverbrechen einzugreifen, wird von allen BRIC S-Staaten strikt bekämpft. »Man darf sich keinen Illusionen hingeben, da gibt es fundamentale Unterschiede zwischen den neuen Mächten auf der einen Seite und den USA und Europa auf der anderen Seite«, sagt der Menschenrechtsexperte und Politikprofessor Michail Ignatieff, der an der Harvard University lehrt. Die Ablehnung von Interventionen hat in China und Indien ganz banale Gründe – die führenden Politiker dort sehen die Gefahr, dass sich eines Tages in Tibet oder Kaschmir solche Rufe auch gegen sie selbst richten könnten. In Brasilien taucht zwar gelegentlich ein Alptraumszenario auf, das von den Begehrlichkeiten fremder Mächte auf das Amazonas-Delta ausgeht, aber diese absurde Angst dürfte von Rousseff nicht geteilt werden. Für sie sind eher antiimperialistische Reflexe entscheidend: Sie hat nicht vergessen, wie sehr die CIA nach Lateinamerika hineinregiert hat, manchmal auch unter Berufung auf humanitäre Aspekte.
    Brasiliens Präsidentin kommt bestens mit ihren BRIC S-Partnern Xi Jinping, Manmohan Singh, Wladimir Putin und Jacob Zuma aus. Sie hat bei der Konferenz von Durban im Februar 2013 dem Konzept einer eigenen Entwicklungsbank dieser Staaten als Gegengewicht zum IWF zugestimmt, obwohl sie gleichzeitig beim internationalen Währungsfonds selbst um einflussreiche Posten feilscht. Sie sichert sich gerne ab. Auch mit Barack Obama und François Hollande kann sie gut. Nur mit Angela Merkel nicht.
    Wer sie zusammen gesehen hat, sieht sofort, dass zwischen den beiden die Chemie nicht stimmt. Zum Beispiel in Hannover bei der Computermesse Cebit, wo Brasilien 2012 als Gastland geladen war. Da kam es zum Schlagabtausch: Die Brasilianerin beklagte sich in undiplomatisch scharfen Worten über das billige Geld, das die Europäische Zentralbank mit deutscher Zustimmung in die Märkte pumpte. »Die EU entwertet gezielt und künstlich ihre Währung«, sagte sie bei der Pressekonferenz. Bei internen Gesprächen hatte sie sogar von einem »Handelskrieg« gesprochen. Die Bundeskanzlerin nannte das Ganze eine »temporäre Maßnahme«, teilte ihrerseits Richtung Brasília aus und warnte »die Schwellenländer« davor, im Gegenzug Handelshemmnisse aufzubauen. Sie schlichen aneinander vorbei, zwangen sich allenfalls ein gequältes Lächeln ab, drehten sich voneinander weg, wann immer es auch nur ging. Fotos zeigen die beiden wie entfernte Verwandte, die gerade einen Erbschaftsstreit ausfechten und einander nicht in die Augen sehen wollen.
    Nicht viel besser war die Stimmung beim EU -Lateinamerika-Gipfel in Santiago de Chile Anfang 2013. Angela Merkel saß nicht neben ihrer brasilianischen Kollegin, sondern neben der argentinischen Präsidentin Cristina Kirchner, die weitaus weniger wichtige Gipfelteilnehmerin. Rousseffs Nerven waren durch die furchtbare Tragödie von Santa Maria in ihrer südbrasilianischen Heimat ohnehin zum Zerreißen gespannt. Dort waren bei einem Feuer in einem Nachtclub gerade 234 junge Leute gestorben; verantwortlich dafür waren auch die Schlampereien der Behörden, die sämtliche Schutzvorschriften umgangen hatten. Rousseff empfand formale Kondolenzbekundungen zur Katastrophe als wenig warmherzig, die mahnenden Worte der Deutschen zum Freihandel als besserwisserische Bevormundung. Außerdem war die Präsidentin darüber verstimmt, dass Merkel auf die brasilianische Einladung zu einem Staatsbesuch so verhalten reagierte. Sie könne keinen Termin finden, deshalb komme im Mai 2013 zunächst einmal der Bundespräsident, hieß es aus ihrer Entourage. Rousseff verstand das offensichtlich als Affront gegenüber der kommenden Weltmacht. Und gegen sich persönlich.
    Seit Hillary Clinton sich – zumindest vorläufig – aus der großen Politik zurückgezogen hat, landen die Brasilianerin und die Deutsche regelmäßig auf Platz eins und

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