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Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Follath
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der Umwelt: die »Goldene Kettensäge«. Das war 2005, und damals sagte Maggi noch Sachen wie: »Das kümmert mich alles überhaupt nicht. Das Problem wird grotesk überschätzt, und außerdem will der Markt es so. Ich habe nicht einmal den Hauch von schlechtem Gewissen.« Inzwischen hat der Unternehmer eine 180 Grad-Wende vollzogen, aus dem skrupellosen Zerstörer ist ein Möchtegern-Bewahrer geworden. Keine Rodungen mehr, strengste Umweltauflagen auf seinen Besitzungen, ein Unbedenklichkeitssiegel für jede Sojalieferung. Und der Chef überprüft das angeblich alles selbst.
    Brasilien liebt solche Geschichten. Aber wie glaubhaft ist die seltsame Wandlung des Blairo Maggi zum Vorzeige-Grünen? Vielleicht ist es weniger die Überzeugung als der Geschäftssinn, die sein Umdenken veranlasst hat. Denn in der internationalen Wirtschaft hat durch die Umweltbewegung und eine neue Verbrauchersensibilität ein Wandel eingesetzt, und den hat nicht die einzelne Verleihung einer »Goldenen Kettensäge« bewirkt. Große Anzeigenkampagnen von Organisationen wie Greenpeace zeigten Ende des vergangenen Jahrzehnts plakativ, wie Soja von abgebrannten Urwaldflächen über Zwischenhändler als Futter in Tierställe und von dort direkt in die McDonald’s-Burger kam. So hatte der Verbraucher das noch nie gesehen. Boykotte drohten. Die Großen der Branche reagierten und schworen, Brasilien keine Bohne mehr abzunehmen, die von neuen Rodungsflächen stamme. Die Beweislast lag plötzlich beim Produzenten. Unter der Führung des Sojakönigs lenkte die Branche ein, Maggi & Co. kündigten ein »freiwilliges Moratorium« an, mit dem alle Auflagen erfüllt werden sollten. Ob das wirklich alles umgesetzt wird – Zweifel sind angebracht.
    Nach einigen Jahren als Gouverneur des Bundesstaates Mato Grosso zog Blairo Maggi 2010 als Senator in die Hauptstadt um und mischt dort in der großen Politik mit. Selbst als er im Februar 2013 zum Präsidenten der Umweltkommission gewählt wurde, gab es kaum noch Proteste. Im brasilianischen Kongress darf sich sogar der Dubiose noch zu den Seriösen zählen.
    Ein Drittel des Kongresses – und damit fast ein Drittel der Senatoren – sind derzeit vor Gericht angeklagt. Die Fälle rangieren von eher schon alltäglichen Vergehen wie dem »Umleiten« staatlicher Gelder in die eigene Tasche bis hin zu schweren Verbrechen. So wird beispielsweise João Ribeiro aus dem nördlichen Bundesstaat Tocantins beschuldigt, auf seiner Ranch Arbeiter wie Sklaven gehalten zu haben; Paulo César Quartiero, Vertreter von Roraima, wird von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, nach einem Streit um Land am Amazonas drei römisch-katholische Priester entführt zu haben. Ein weiterer Senator wird von Interpol gesucht, weil er zehn Millionen Dollar Schmiergelder in einem Konto auf den Cayman Islands »gewaschen« haben soll. Diese Fälle sind noch vor Gericht anhängig. Den Vogel an unfassbaren Verbrechen abgeschossen hat aber Hildebrando Pascoal aus Motoserra, Spitzname: »Chainsaw Congressman«; er erhielt 18 Jahre Gefängnis dafür, dass er an Morden beteiligt war, bei denen die Opfer in eine Lauge geworfen und anschließend zerstückelt wurden. »Der Kongress ist ohne Zweifel die verhassteste Institution in Brasilien«, sagt Mauricio Santoro, Politikwissenschaftler in Rio de Janeiro. »Zwar werden viele Politiker angeklagt und manche auch verurteilt. Aber ins Gefängnis gehen die wenigsten. Und fast alle haben sie ihre schmutzigen Finger in kriminellen Machenschaften um das Niederbrennen von Land und die skrupellose Ausbeutung nationaler Ressourcen.«
    Dilma Rousseffs Regierung hat bisher wenig gegen den Raubbau der Natur unternommen. Die Vernichtung von Regenwaldflächen hat in den vergangenen zwei Jahren wieder zugenommen. In der Region des südlichen Amazonas-Gebietes vertreiben Großgrundbesitzer Kleinbauern und Landlose wie eh und je. Sie dringen auch in Gegenden von Urvölkern vor und nehmen dort, weil die Staatsgewalt weit ist, das Recht in die eigene Hand. Das brasilianische Parlament hat im Frühjahr 2012 sogar ein neues Waldgesetz verabschiedet, das bisherige Sünder amnestiert. Rousseff hat dagegen ihr Veto eingelegt, aber zur Enttäuschung der Umweltschützer keinen eigenen überzeugenden Alternativplan formuliert. Der Flirt mit dem schillernden Blairo Maggi, so meinen nicht nur Brasiliens Grüne, könne dafür ja kein Ersatz sein.
    Und dann ist da noch so ein problematischer Alleskönner, ein unideologischer

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