Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
der für die Zukunft des Landes stand – und die Politik bremste ihn dabei keineswegs, sondern förderte ihn mit Staatskrediten und sonnte sich mit an seinen Erfolgen. »Brasilien hat alles, was die Welt braucht«, pflegte der Unternehmer zu sagen.
Er verspottete alle als »Kleingeister« und »Bedenkenträger«, die das nicht so sahen. Die darauf verwiesen, da stünde doch vieles nur auf dem Papier. Batista stieg in Jeans und mit offenem Hemd in sein Privatflugzeug, lud ein Dutzend Starjournalisten und Politiker ein und dozierte beim Tiefflug über eine Ödnis: »Hier wird eine Superstadt entstehen, und hier der Hafen Açu, das tropische Rotterdam.« Ex-Präsident Lula wurde zu seinem größten Fan, pries den Unternehmer für »seinen Wagemut«. Batista selbst sah das Reichwerden als Sport, als Spaß, und ein wenig auch als Dienst am Vaterland. »Wir bauen Infrastruktur für die nächsten 200, 300 Jahre. Natürlich gibt es zwischendurch Rückschläge, von denen darf man sich nur nicht unterkriegen lassen«, sagt der Mann, der sich so gern als Visionär verkauft. »Brasilien hat mir erlaubt, Monopoly zu spielen, und dafür bin ich dankbar.«
Batista, der Laut-Sprecher und Wind-Macher, das Möchtegern-Vorbild (»Ich würde gern die ganze junge Generation stolz auf Brasilien machen«), war immer ein Showman. Sein – vorläufiger – Abstieg begann dann im Sommer 2012. Die Ölgesellschaft OGX , einer der Pfeiler seines Konzerns, musste einräumen, dass die Funde weit hinter den Erwartungen zurückblieben. Der Aktienkurs stürzte daraufhin um 80 Prozent ab. Weitere schlechte Nachrichten folgten. Und plötzlich mochten die Anleger keine Wetten mehr auf die Zukunft abschließen, sondern verlangten von dem charismatischen Unternehmer harte, positive Fakten. Im Frühjahr 2013 überraschte Batista dann auch seine deutschen Geschäftspartner mit einer unangenehmen Nachricht: Da sein Imperium in finanzielle Turbulenzen geraten sei, wolle er einige seiner Besitzungen abstoßen; darunter ausgerechnet Anteile an jener Stromtochter MPX , an der sich E.ON mit 10 Prozent beteiligt hatte. Für das Dax-Unternehmen mit Sitz in Düsseldorf eine prekäre Situation.
Brasiliens Vorzeige-Unternehmer bäckt nun kleinere Brötchen. Sein Privatjet steht für 26 Millionen Dollar zum Verkauf, für das Nobelhotel Gloria, das er mit großem Aufwand für die Fußball-WM restaurieren wollte, sucht er einen Partner. Die Euphorie über das staatliche und private Wirtschaftswunder ist verschwunden. »Es ist an der Zeit für ihn – und für Brasilien –, nun weniger zu versprechen und mehr zu liefern«, schreibt das führende Wirtschaftsmagazin Exame .
Meilenweit von den Luxusproblemen des Milliardärs Batista entfernt, spielen sich im Nordosten des Landes ganz andere Tragödien ab. Am 13. Mai 2013 hat Brasilien ein ganz besonderes Jubiläum gefeiert – 125 Jahre Abschaffung der Sklaverei. Aber gerade in diese Tage fiel auch eine schreckliche Entdeckung. Im Bundesstaat Pará stießen Fahnder des Arbeitsministeriums bei einer Stichprobe auf mehr als 150 Menschen, die allein in der Nähe eines Stahlwerks wie Sklaven hausen mussten: Sie lebten in Bretterverschlägen, nur notdürftig mit Plastikplanen vor dem prasselnden Regen geschützt. Sie mussten im Busch Feuerholz sammeln und aus offenen Minen mit bloßen Händen oder primitiven Schaufeln Rohmaterialien zusammenkratzen, die sie dann zur Fabrik brachten. Toiletten gab es nicht, die zahlreichen Kinder tranken Wasser aus dem schlammigen Fluss. Und für die wenigen, die an den Hochöfen im Stahlwerk selbst eine Arbeit gefunden hatten, fehlten jegliche Schutzvorrichtungen.
»Dass es so etwas im Brasilien unserer Tage gibt, hätten wir nicht für möglich gehalten«, sagte die zuständige Staatsanwältin erschüttert. »Das ist neuzeitliche Sklaverei, nichts anderes.« Drei beteiligte Firmen mussten schließen oder wurden zu hohen Strafzahlungen verurteilt. Aber so einzigartig wie die Juristin es darstellte, sind solche Fälle keineswegs. Auch auf Zuckerrohrplantagen, an Großbaustellen und in Schlachtereien wurden ähnlich krasse Fälle von Ausbeutung festgestellt. Seit 1995 wurden mehr als 40000 Tagelöhner aus erbärmlichen Arbeitsverhältnissen befreit. Besonders benachteiligt sind die Provinzen im Nordosten.
Im ärmsten Bundesstaat Maranhão leben viele Afrobrasilianer in sogenannten Quilombos, Niederlassungen früherer Leibeigener. Obwohl ihnen die Verfassung von 1988 als Wiedergutmachung
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