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Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Follath
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tausend Arbeitsplätze entstehen, die Bayern nehmen dafür 200 Millionen Euro in die Hand. Sie glauben daran, dass der viertgrößte Automarkt der Welt rasant weiterwachsen wird. Und die brasilianischen Töchter deutscher Konzerne erwirtschaften schon heute 10 Prozent der gesamten hiesigen Industrieleistung. Auch bei der Förderung heimischer Start-up-Firmen sind Berliner Geldgeber mit vorn dabei. »São Paulo ist der größte deutsche Industriestandort außerhalb Deutschlands«, schreibt die Wirtschaftswoche . Und mit keinem anderen Staat der Welt hat Deutschland so viele Forschungsabkommen geschlossen wie mit Brasilien, was Hamburgs Ersten Bürgermeister Olaf Scholz bei seinem Besuch vor einigen Monaten im kleinen Kreis zu dem euphorischen Ausruf bewegte: »Hier gibt es für uns ja noch mehr Zukunftsperspektiven als in China!«
    Sieht man sich die vorliegenden Zahlen nüchtern an, spielt Deutschland allerdings keine so überragende Rolle. Es liegt bei den Lieferländern auf Platz fünf, bei den brasilianischen Importländern auf Rang vier. Und Paris hat Berlin längst den Rang als engster politischer Partner unter den Großen in Europa abgelaufen. Während sich die Deutschen bisher weitgehend auf Fernost konzentriert haben, kümmerten sich die Franzosen intensiv um Lateinamerika. Nicolas Sarkozy war während seiner Amtszeit als Präsident fast ein Dutzendmal in Brasilien, sein Nachfolger François Hollande besuchte Dilma Rousseff schon in den ersten Wochen nach seiner Wahl. Französischen Konzernen bescherte das Antichambrieren Milliardenaufträge. In Rio und Brasília wird genau registriert, wie oft die Kanzlerin während ihrer Dienstjahre schon in China war (achtmal). Und dass sie es bis Ende 2013 erst ein einziges Mal für nötig hielt, Brasilien zu besuchen, und das auch nur im Rahmen einer Lateinamerika-Rundreise, während der sie gerade mal 36 Stunden im Land verweilte.
    Auch wer Brasiliens gegenwärtiges Wachstum enttäuschend findet, wird zugeben müssen: Die wirtschaftlichen Grunddaten des Landes sind gesund, und das ist umso erstaunlicher, da Brasilien trotz der Reformen des Präsidenten Cardoso Mitte 2002 noch einmal vor einer schweren Krise stand. Nur ein Kredit des Internationalen Währungsfonds verhinderte die Zahlungsunfähigkeit und damit einen Weg, wie ihn das Nachbarland Argentinien beschreiten musste. Heute besitzt Südamerikas Vorzeigeland einen fast ausgeglichenen Staatshaushalt, geringe Schulden, eine extrem niedrige Arbeitslosigkeit (unter 5 Prozent) und ordentliche Dollarreserven in Höhe von 370 Millionen. Brasilien hat neben China und wohl noch vor Indien am meisten von der Neuverteilung der Gewichte, der neuen Arbeitsteilung in der Ökonomie profitiert. Wenn in Peking die Werkhalle der Welt steht, in Neu-Delhi die Kommunikationsfabrik Informationen verteilt, dann betreibt Brasília das Rohstofflager der Erde – und die Speisekammer. Brasilien verdankt seinen Aufstieg zur wirtschaftlichen und politischen Großmacht seinen riesigen Energievorkommen und seinen fruchtbaren Böden. Aber das war nur der Ausgangspunkt für den Aufstieg: Ohne die Innovationskraft seiner Wissenschaftler und Ingenieure wäre der lateinamerikanische Staat nicht so nahe an die Weltspitze gerückt. Will Brasilien dort bleiben oder gar noch weiter vorrücken, wird es von dieser schöpferischen Dynamik allerdings noch weit mehr brauchen. Im Moment herrscht eher Flaute.
    Mit dem Erdöl- und Erdgaskonzern Petrobras und dem Bergbaukonglomerat Vale besitzt Brasilien zwei der bedeutendsten Energiefirmen der Erde. Petrobras hat enttäuschende Monate hinter sich, aber die mittel- und langfristigen Aussichten sind durch die Funde vor der Küste weiterhin recht positiv. Ähnliches gilt für den Stahlkonzern Gerdau. Der Mischkonzern Odebrecht baut in den USA Dämme, in Venezuela eine U-Bahn und in Portugal Brücken. Das Autobus-Karossenwerk Marcopolo hat begonnen, gemeinsam mit dem indischen Marktführer Tata ein Werk zu errichten, das in seiner Branche das weltgrößte werden soll. Embraer ist nach Boeing und Airbus zum drittgrößten Flugzeughersteller der Erde aufgestiegen. Bei den Biotreibstoffen Ethanol und Biodiesel ist das Land neben den USA der wichtigste Produzent und Verbraucher.
    Tonnen von Mais, Kaffee, Orangensaft und Hunderttausende exportierter Rinder machen das Land zum führenden Ernährer der Menschheit. Die weltweite Spitzenstellung seiner Landwirtschaft verdankt Brasilien nicht nur den immer weiter

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