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Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Follath
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erschlossenen Anbauflächen mitsamt dem höchst problematischen Niederbrennen der Urwälder in der Amazonas-Region. Sondern auch seinen Forschungseinrichtungen, allen voran der Embrapa. 1973 gegründet, ist sie heute die international wichtigste Denkfabrik für tropische Landwirtschaft. Sie liefert mit ihren 38 spezialisierten Instituten die Kenntnisse für immer effektivere Anbaumethoden.
    Dilma Rousseff hat immer an die lenkende Wirkung des Staats geglaubt und die neoliberale Ansicht von der allein seligmachenden Macht des Marktes verdammt. Durch das Familienförderungsprogramm und Zuschüsse für den Arbeitsmarkt führten sie gut vierzig Millionen Brasilianer aus der Armut und machten das Land mehr als nur im Ansatz zu einer Mittelschichtsgesellschaft. Vergleicht man diese Zahlen mit China und setzt sie in Verhältnis zur Bevölkerungsdichte, so ist Brasiliens Leistung mindestens genauso eindrucksvoll – und bemerkenswerter als das Anwachsen der indischen Mittelschicht. Die Kaufkraft der Menschen in Brasilien ist heute im Durchschnitt in etwa doppelt so hoch wie die der Chinesen und achtmal so hoch wie der Inder. Wie weit sich die Gesundheitsfürsorge positiv gegenüber den Freunden und Konkurrenten in Asien abhebt, sieht man an absoluten Zahlen ebenso wie am relativen Zuwachs der Ausgaben. Im südamerikanischen Staat sind es pro Kopf etwa 990 Dollar, mehr als eine Vervierfachung im letzten Jahrzehnt; in China 221 Dollar, ebenfalls gut viermal so viel; in Indien 54 US -Dollar, die mit Abstand geringste Zahl der neuen Mächte – und auch prozentual wenig überzeugend, nicht viel mehr als eine Verdoppelung innerhalb der vergangenen Dekade.
    Allerdings hat Präsidentin Rousseff fast ausschließlich auf eine staatliche Industriepolitik gesetzt. Das erwies sich als allzu optimistisch. Brasilien wurde nicht nur mit sinnvollen Auslandsinvestitionen bedacht, sondern auch mit Spekulationsgeldern überschüttet. Die Krisenstrategie der Regierung, den Binnenkonsum der Wirtschaft in Fahrt zu halten und das Ganze mit den Rohstoffeinnahmen zu finanzieren, funktionierte irgendwann nicht mehr. Die Brasilianer sind heute durchschnittlich zu hoch verschuldet, als dass sie noch Kredite aufnähmen, um ihren Konsum zu steigern.
    Bei den Unternehmerpersönlichkeiten des Landes ragen zwei besonders heraus, die vom Typ her kaum unterschiedlicher sein könnten. Möglich, dass sie sich für die Präsidentin wie für ganz Brasilien als hilfreich beim Kampf um den Fortschritt erweisen. Aber vielleicht – und das ist wahrscheinlicher – auch als gefährliches Hemmnis. Die Rede ist von den schillernden Finanzjongleuren und Multimilliardären Eike Batista und Blairo Maggi. Der eine bis vor Kurzem noch unter den Top Ten der Reichsten weltweit, wohlhabendster Mann in ganz Südamerika und unumstrittener Lenker eines industriellen Mischkonzerns; der andere der Supermann der Landwirtschaft, allgemein bekannt als »Sojakönig«.
    Im Mato Grosso, dem »Großen Urwald« in den Weiten des brasilianischen Westens, liegt Herrn Maggis Reich. Hier bewirtschaftet der Sohn einer italienischen Einwandererfamilie eine Farm von 400000 Hektar. Cuiabá ist die Hauptstadt seiner Region, vor ein paar Jahrzehnten noch ein Nest im Niemandsland, ziemlich genau in der Mitte des Kontinents und 2500 Kilometer von der Küste entfernt. Jetzt ist es ein aufstrebender Ort mit einem blitzblanken Flughafen. Schmucke Häuser, teure Restaurants, keine Favelas. Hemdsärmelig und trotz seiner über 55 Jahre immer noch jungenhaft, erklärt der Rotschopf Maggi Journalisten gern, was er da so anbaut. »Die Sojabohne hat zu Unrecht eine schlechte Presse«, sagt er. »In Wahrheit sind wir alle davon abhängig. Soja liefert die billigsten und besten Proteine, ohne diese Hülsenfrucht würden Millionen auf der Welt Hunger leiden. Soja dient als Futtermittel für Tiere, Soja ist als Milch bekömmlich, es gehört in Schokolade, Speiseeis, in Öle, eigentlich in fast alles.« Eine Milliarde Dollar setzt seine Armaggi Group in einem guten Jahr mit ihren 1800 Mitarbeitern um, der Mann gilt als größter Sojabohnenproduzent der Welt. Aber der Fortschritt hat einen hohen Preis. Der Urwald musste für die Anpflanzungen im großen Stil abgeholzt, das Feuchtbiotop Pantanal trockengelegt werden. Das fünftgrößte Land der Erde ist beim Ausstoß von Treibhausgasen die Nummer vier, das meiste geht auf Brandrodungen zurück. Greenpeace verlieh dem Unternehmer den Preis als schlimmster Schädling

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