Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Opiumkriegen gedemütigt; bei klarer Sicht kann man hinübersehen nach Taiwan, ins andere China. Aus alten Kolonialvillen dringen Klavierklänge, in Xiamen lehren traditionell die besten Pianisten; vom lebhaften Hafen tönen Schiffssirenen. Hier war immer das Geld zu Hause – und der Schmuggel. Hier wird Xi Jinping mit 35 Jahren Vizebürgermeister, später erster Mann. Ein vielversprechender, aber auch ein gefährlicher Job. Er laviert sich geschickt durch alle drohenden Untiefen. Warnt vor Korruption und fordert Respekt vor der KP , legt sich aber nicht mit der Geschäftswelt an. Die Vetternwirtschaft an der Wurzel zu packen und einschneidende Reformen etwa in Richtung einer unabhängigen Justiz zu fordern, traut er sich nicht: Achtung vor dem Gesetz sei nötig, nichts dürfe dazu führen, dass die Herrschaft der Partei geschwächt werde, lautet sein Credo. Sein rehabilitierter Vater ist da weiter: als Politbüromitglied und Gouverneur von Guangdong treibt er Anfang der Achtzigerjahre den wirtschaftlichen Reformprozess entschiedener voran als der Sohn. Der darf sich allerdings schon frühzeitig einen Eindruck von der Supermacht USA machen. 1985 reist Xi Jinping erstmals als Delegationsmitglied in die USA , wird zu einem Besuch bei einer Farmerfamilie in Iowa eingeladen. Er scheint die Zeit genossen zu haben, war von der Freundlichkeit der Menschen, wie er später Bekannten in der Heimat erzählte, sehr begeistert. Jahre später legt er dann bei einer neuerlichen USA -Reise großen Wert darauf, die Familie wiederzutreffen – eine Geste, die ihm im Westen Sympathie einbringt. Hinweise darauf, dass ihn auch das demokratische System der Vereinigten Staaten besonders beeindruckt hat, sind seinen Äußerungen allerdings nicht zu entnehmen.
Xi Jinping möchte bei seinem Aufstieg im System der Volksrepublik China dann vor allem eins: keine Fehler machen. Er ist bereit für die Ochsentour durch die Provinzen, den KP -klassischen, langen Weg nach oben. Wird Vizeparteichef von Fujian und übersteht dort einen der größten Korruptionsskandale in der Geschichte der Volksrepublik – Waren im Wert von mehr als vier Milliarden Dollar soll ein Geschäftsmann namens Lai Chanping durch die Provinz geschmuggelt haben, ohne dass dies den Autoritäten auffiel. Xi landet schließlich als Gouverneur im ostchinesischen Zhejiang. Auch dort fällt er vor allem dadurch auf, dass er versucht, nicht aufzufallen. In seiner Kolumne im örtlichen Parteiblatt ist zwar viel von »Innvovation« die Rede, aber abgesehen von seiner allgemeinen Sorge um das private Unternehmertum, das er an staatlichen Großprojekten beteiligt sehen will, treibt ihn nach Aussagen von Zeitzeugen nur eine Sorge um: die Korruption der Funktionäre. »Für kleine Vorteile wie einer Essenseinladung vergessen sie ihre Prinzipien«, schreibt Xi Jinping. »Und beim anschließenden Singen und Tanzen verlieren sie dann ihren Anstand.«
Als wolle ihn die Partei vor einem endgültigen Aufstieg in den Partei-Olymp noch einmal so richtig auf Probe stellen, schickt sie ihn 2007 nach Schanghai. Die Stadt der Sünde hat da gerade wieder ihren zweifelhaften Ruf bestätigt, der Parteiboss stürzte über einen Skandal. Der vorsichtige Herr Xi wittert überall Fallen. Als ihm die Schanghaier eine Dienstvilla in der ehemaligen Französischen Konzession anbieten, lehnt er ab und zieht in ein bescheidenes Apartment. Als sie ihm für einen offiziellen Trip in die Nachbarprovinz einen Sonderzug bereitstellen, entscheidet er sich für die Reise im Minivan. Sieben Monate regiert er die Wirtschaftsmetropole, ein Saubermann, der sich keine Blöße gibt und deshalb auch keine politische Reformen wagt. Ein solider Verwalter, nicht in Versuchung zu führen. Glamourös und schillernd ist an Xi Jinping nur eines – seine zweite Frau. Die attraktive Sopranistin Peng Liyuan hat als Sängerin von Parteiliedern ( Meine Soldatenbrüder ) auf der Bühne und im Fernsehen landesweit Karriere gemacht. Als Mitglied des Tanzensembles der Volksbefreiungsarmee nützt sie ihrem Mann auch politisch – sie besitzt den Rang eines Generalmajors und gehört als Abgeordnete der Politischen Konsultativkonferenz des Volkes an. Tochter Mingze, ihr einziges Kind, schickt das Paar nach Harvard, wo sie sich, anders als der Sohn Bo Xilais, unter einem Pseudonym eingeschrieben hat. Und anders als der nicht durch Eskapaden auffällt.
Dalian, Provinz Liaoning, Hafenstadt im Rostgürtel von Nordostchina; unvermeidlich der
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