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Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Follath
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gefolgt, zunächst drei Jahre lang als Freiwilliger auf dem Land zu dienen. Er hat das Dorf mit seinen Ideen durcheinandergewirbelt, eine kleine Bibliothek eingerichtet, einen Wettbewerb um die gepflegtesten Häuser veranstaltet, sogar eine parteiinterne Wahl um den Bürgermeisterposten mitorganisiert. Der dynamische Junggeselle machte Beigou zu einer Modellgemeinde, die Touristen anzieht, Geld in die Gemeindekassen spült. Und er kann sich vorstellen, noch länger zu bleiben – als Tourismusunternehmer oder als Kader mit erweiterten Zuständigkeiten. Nach eigenen Aussagen ist die Parteiaufnahme sein ganzer Stolz. »Hunderte aus meinem Studienjahr haben sich beworben, nur wenige wurden erhört«, sagt Duan Wenyin. Das sei für seinen weiteren beruflichen Lebensweg »extrem förderlich«.
    Und so macht sich der Jungfunktionär nützlich, schlichtet Streit um die neue Straße und kompensiert die Bauern für die Landnahme »so fair wie möglich«. Er arbeitet sich in die Probleme der Kastanienernte ein, tadelt, lobt, schafft Anreize, ganz im Sinn der »harmonischen Gesellschaft«, die von der Partei als höchstes Ziel proklamiert wird. Anders als die Helden vergangener Tage muss er sich nicht selbst kasteien: Er darf Initiative zeigen, kapitalistisch handeln, sogar selbst reich werden. Er darf in Verfahrensfragen sogar die Chefs in Peking kritisieren. Nur eines darf er nicht: sich außerhalb des Systems stellen. Muster-Chinese Duan aus seinem Muster-Dorf mit seiner Muster-Karriere fest im Blick hat das auch nicht vor. Er winkt zum Abschied, zufrieden mit sich und seiner Partei, die er nicht liebt, die er aber braucht. Weil mit ihr vielleicht nicht alles geht, aber ohne sie in seinen Augen gar nichts.
    Da wäre noch ein mögliches Vorbild für die Nation, jenseits des Nur-Aufopferungsvollen und des Nur-Angepassten: Li Ka-shing, Chinas wohlhabendster Mann, laut der Forbes -Rangliste von 2013 die Nummer acht unter den Reichsten der Erde und damit an der Spitze ganz Asiens. Tendenz: steigend. Erst im vergangenen Jahr hat er wieder deutlich an Besitz zugelegt und ist jetzt 31 Milliarden schwer: ein Vorzeige-Unternehmer und Freund der KP , der ein weltweit verzweigtes Geschäftsimperium kontrolliert, mit 260000 Angestellten in 52 Ländern.
    In den Augen der Pekinger Machthaber hat er aber einen Nachteil, der ihn bei aller Bewunderung und Einbeziehung in die Politik der Volksrepublik für immer suspekt macht: Li Ka-shing, heute Mitte achtzig, hat seine Karriere in Hongkong gemacht und einige seiner größten unternehmerischen Erfolge noch unter den britischen Kolonialherren. Genau genommen müsste man ihn mit »Sir« ansprechen, denn die Queen hat ihn geadelt, zum Knight Commander. Und wenn die Partei Hongkong auch als Perle seines Reiches und als Banken- und Börsen-Metropole schätzt, betrachtet sie die Erfolgsstadt, 1997 heimgeholt, immer noch mit einem Hauch von Misstrauen: Nach dem zwischen Maggie Thatcher und Deng Xiaoping ausgehandelten Vertrag genießt der »Duftende Hafen« für eine Periode von fünfzig Jahren nach der Übergabe besondere Freiheiten. »Ein Land, zwei Systeme« heißt die Vereinbarung, sie gilt in Pekinger Augen als Vorbild dafür, was eines nicht allzu fernen Tages auch mit Taiwan passieren soll. Hongkong ist Teil der Volksrepublik, durfte aber sein unabhängiges Rechtssystem und seine Pressefreiheit behalten. Wenngleich längst nicht alles rundläuft, seitdem die Macht gewechselt hat und immer wieder Funktionäre versuchten, die Weltstadt »chinesischer« zu machen, zuletzt mit einem umstrittenen Lehrplan an den Schulen für mehr »Patriotismus«, hielt sich die KP in Peking im Großen und Ganzen an ihre Versprechen. Die Sieben-Millionen-Metropole Hongkong ist – und bleibt wohl auch – das Schaufenster der Volksrepublik, der einzige Ort auf dem Staatsgebiet, an dem man für Falun Gong werben und gegen das Tiananmen-Massaker demonstrieren darf. Und hinter Singapur belegt dieses Hongkong immer wieder einen Spitzenplatz unter den businessfreundlichsten Städten weltweit. Von den derzeit 161 chinesischen Milliardären hat jeder Vierte in dieser Stadt seinen Wohn- und Arbeitsplatz.
    Kaum eine der Wirtschaftsgrößen lebt so zurückgezogen und abgeschirmt wie Li Ka-shing, was einerseits an seiner Natur liegt, andererseits an einem dramatischen Entführungsfall. In den Achtzigerjahren ließ der Gangsterboss »Big Spender« einen seiner beiden Söhne entführten, und Victor kam erst nach einigen Tagen

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