Die Neuen - Herz des Gladiators - Nachbars Garten
sagte er und strich über seine lange Afro-Mähne. „Zum letzten Mal hatte ich vor ein paar Jahren Ärger deswegen – mit einer Handvoll Neonazis.“ Die Bestürzung war ihm anzumerken.
„Moment“, meinte Margarete. „Wollt ihr uns weismachen, diese alte Dame hätte euch wegen eures Äußeren die Leviten gelesen?“
„Schöne Formulierung“, erwiderte Sanjay. „Das trifft es.“ Die anderen beiden nickten.
„Sie hatte einen strengen Zug um die Lippen“, bemerkte Werner. „Das ist mir gleich aufgefallen. Einen strengen Zug.“
„Das klingt alles nach Sir Darren“, warf Salvatore ein. „Nur schlimmer.“
Sanjay verdrehte die Augen, und Enene schüttelte sich. „Viel schlimmer“, sagten sie beide wie aus einem Mund.
„Gehen wir rein“, blieb Werner nüchtern. „Da die Bibliothek nun leer sein dürfte, können wir unser Vorstellungsgespräch ja gleich dort abhalten.“
„Vorstellungsgespräch? Wir reden mit ihr – trotz der Art und Weise, wie sie mit unseren Studenten umspringt?“ Margaretes Augen waren groß geworden.
Salvatore legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Hast du schon vergessen, wie es war, als der Blaublütige noch unter uns weilte?“
Sie gingen durch den Vorraum, in dem die PCs standen, und bogen nach rechts in das eigentliche Bibliothekszimmer ein. Im ersten Moment sahen sie niemanden, aber sie vernahmen Geräusche aus der hintersten Ecke. Auf einem der Tische lag ein Stapel aus etwa einem Dutzend Büchern, darunter einige sehr alte und wertvolle Exemplare. Während sie noch sprach- und reglos dort standen, wuchs der Stapel um ein weiteres Buch an. Eine knochige, faltige Hand erschien von hinter den Regalen und legte einen riesigen Wälzer dort ab. Wenig später kam die Besitzerin dieser Hand zum Vorschein.
Traude Gunkel konnte nicht größer sein als einen Meter sechzig. Sie war schätzungsweise fünfundsiebzig Jahre alt und hatte hellgraue, fast weiße Haare, die auf ihrem Hinterkopf zu einem engen Haarknoten zusammengebunden waren. Ihre Züge waren scharf geschnitten, ihre schmalen Lippen grell geschminkt. Sie trug ein schwarzes Kleid mit einem rüschenbesetzten Kragen, das ihr auf den ersten Blick das Aussehen einer Hausangestellten aus einem früheren Jahrhundert verlieh. Doch dazu passte weder der edle Stoff des Kleides, noch ihr überheblicher, herrischer Gesichtsausdruck mit den herabgezogenen Mundwinkeln und den zur Hälfte gesenkten, zerknitterten Lidern.
„Frau … Gunkel“, brachte Werner hervor.
„Das bin ich“, erwiderte sie durchdringend. Mit einer solchen Stimme konnte man Gläser vielleicht nicht zu Zerspringen bringen, wie manche Sängerinnen das angeblich vermochten, aber es schien denkbar, dass man Glas damit zerschneiden konnte, wenn man sie richtig einsetzte. „Und wer sind Sie?“
„Hotten“, gurgelte Werner. „Der Rektor auf Falkengrund. Das hier ist … Professor Cavallito, und hier …“
„Man stellt Damen also neuerdings zuletzt vor“, fuhr die Gunkel dazwischen. „Schöne Sitten sind das. Kein Wunder, wenn die Schüler herumlaufen wie im Karneval.“ Damit hatte sie Margarete kurzerhand die Chance genommen, überhaupt vorgestellt zu werden, doch das schien sie nicht im Geringsten zu stören.
„Was ist mit den Büchern?“, stellte Margarete die Frage, die ihr am meisten auf der Seele brannte. Der Bücherstapel auf dem Tisch irritierte sie noch mehr als das arrogante Auftreten dieser Frau. Irgendwie sah es so aus, als wollte sich Traude Gunkel diese Bücher im nächsten Moment unter den Arm klemmen und das Schloss verlassen. Vielleicht hatte sie sich jene Exemplare ausgesucht, die ihr noch in ihrer persönlichen Sammlung fehlten. Die Bibliothek von Falkengrund konnte sich sehen lassen – hier gab es so manche Schätze zu entdecken.
Doch die Antwort der Frau schockierte sie alle. „Diese Schwarten sind Fälschungen“, kläffte sie. „Es ist besser, sie zu entfernen, ehe sie Schaden anrichten.“
„Fälschungen?“ Margarete ging zu den Büchern hinüber und fasste sie an. Darunter erkannte sie mindestens zwei Bände, die zu Sir Darrens Lieblingsschmökern gehört hatten. Sie sah ihn jetzt noch vor sich, wie er, über den staubigen Folianten zu einer Skulptur erstarrt, stundenlang über zwei aufgeschlagenen Seiten brüten konnte, ohne auch nur einmal umzublättern. Jeder auf dem Schloss wusste, dass seine bibliothekarischen Kenntnisse über jeden Zweifel erhaben waren.
„Wir haben einen äußerst fähigen
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