Die Neuen - Herz des Gladiators - Nachbars Garten
Fachhochschule. Elektrotechnik.“
„Eine Fachhochschule? Nennt man das jetzt studieren? Dort bekommt man nicht einmal Latein beigebracht.“
Werner lockerte seinen Kragen. „Ich habe tatsächlich kein Latein gelernt.“ Dann fügte er tapfer hinzu: „Und ich habe es bisher auch nicht vermisst.“
Die Alte ließ Werner einfach stehen und wandte sich blitzschnell zu Salvatore um. „Sie sind aber ein echter Professor?“, erkundigte sie sich misstrauisch bei dem Italiener.
„Waschecht und mit Gütesiegel, Signora. Universität Genua, später Rom, Auslandssemester in Kalkutta und Lima, Professur in München.“ Salvatore strahlte.
„Interessant. Wie kommt es, dass ich von Ihnen noch nie gehört habe?“
Vielleicht daran, dass du nicht mein Typ bist , dachte Salvatore bei sich, hielt es jedoch für diplomatischer, einer anderen Antwort den Vorzug zu geben: „Ich habe bisher wenig veröffentlicht, und wenn, dann in archäologischen Fachzeitschriften.“ Salvatore war tatsächlich kein großer Bücherschreiber. Auch wenn die meisten Professoren das anders sahen – ihm bereitete das Unterrichten mehr Befriedigung als das Verfassen kluger Fachtexte. Er mochte den Umgang mit Menschen.
„Würden Sie mir jetzt bitte mein Zimmer zeigen, Professor?“ Sie hielt sich nur noch an Salvatore. Werner Hotten schien für sie nicht mehr zu existieren.
„Das Zimmer, in das Sir Darrens Nachfolger einziehen würde “, ging Margarete dazwischen, „ist noch in dem Zustand, in dem er es verlassen hat. Ich weiß nicht, ob …“
„Ist es das da?“, fragte Traude Gunkel, zeigte auf Margaretes Tür, lief darauf zu und hatte schon die Hand auf der Klinke.
„Das ist meines“, beeilte sich die Dozentin zu sagen und stellte sich schützend davor. „Hier, links nebenan, ist …“
„Sie schließen die Türen nicht ab?“ Ehe sie einer hätte aufhalten können, hatte sie die Tür zu Sir Darrens Zimmer bereits geöffnet und spähte neugierig ins Innere. Eine Sekunde später stand sie mitten drin und sah sich ausgiebig um. Dazu schnupperte sie missbilligend mit ihrer runzligen Nase. Klar – der Raum roch etwas muffig, da man ihn in den letzten Wochen nur selten durchgelüftet hatte.
„Auf Schloss Falkengrund herrscht eine familiäre Atmosphäre“, fühlte Margarete sich zu einer Erläuterung gedrängt. „Hier wird nichts gestohlen, daher brauchen wir nicht abzuschließen. Bevor wir fremde Zimmer betreten, pflegen wir allerdings anzuklopfen.“ Sie war einen winzigen Schritt davor zu explodieren. Wenn es genug war, war es genug.
„Ich wollte Sie nicht des Diebstahls bezichtigen“, sagte die Gunkel, und für eine Sekunde klang es fast versöhnlich. Dann sprach sie weiter: „Ich meinte nur, wegen dieser Köchin …“
Jetzt war es genug. Margarete vergaß sich.
„Was bilden Sie sich ein, Sie … Sie impertinente Schnepfe!“, brüllte sie. Sie packte die Alte an ihrem komischen Rüschenkragen und zerrte sie aus Sir Darrens Zimmer. Salvatore lachte hinter der vorgehaltenen Hand, und Werners Miene war hochkompliziert, im Widerstreit der Gefühle.
Die bissige alte Dame jedoch war nicht so leicht zu überrumpeln. Sie behielt vollkommen den Überblick, tat so, als würde sie verzweifelt versuchen, Margaretes Griff zu lösen, während sie in Wirklichkeit einen kraftvollen Tritt gegen ihre Beine vorbereitete. Als Salvatore sich ihr von hinten näherte, änderte sie ihre Taktik kurzfristig und schlug zuerst nach ihm aus. Der Italiener bekam nur die halbe Wucht des Tritts ab, da er sich beinahe noch rechtzeitig wegdrehte.
Traude Gunkel knurrte enttäuscht, und Margarete ließ zu, dass sie sich von ihr löste. Auge in Auge standen sich die beiden Frauen gegenüber, belauerten sich, und was zwischen ihnen war, war noch längst nicht vom Tisch.
„Ich nehme an, Sie haben sich glänzend mit Darren Edgar verstanden“, zischte die Alte, und die Ironie troff in dicken, ätzenden Rinnsalen aus jedem ihrer Worte. „Sie sind eine von der weichen Sorte, was? Jede dahergelaufene Hausangestellte in Schutz nehmen, aber alte, gebrechliche Frauen angreifen …“
Die Dozentin verzog die Lippen. „Keine Moral der Welt verbietet es mir, eine wie Sie windelweich zu prügeln.“
„Worauf warten Sie dann noch?“
Es wäre gewiss ein interessanter Kampf geworden, doch er würde niemals in die nächste Runde gehen.
Durch den langen Flur, der das Schloss vom einen Ende zum anderen durchzog, hallte der gellende Schrei einer Frau. Es war
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