Die Neuen - Herz des Gladiators - Nachbars Garten
auf dem Präsentierteller vorkam. Deshalb hatte man den kleinen Raum quasi für den Doktor reserviert und die Hilfsmittel, die er regelmäßig für seinen Unterricht benötigte, gleich dort stehen gelassen.
„Wir werden in Zukunft den kleinen Seminarraum verstärkt nutzen“, entschied die Alte. „Die Größe des Raumes lenkt nur ab. Für den Chemieunterricht ist der große Raum jedoch wie geschaffen. Durch die Geräumigkeit erhöhen wir die Sicherheit. Außerdem verfügt er über mehr Fenster. Übrigens: Sprechen wir von Dr. Roderich Konzelmann?“
„Von demselben.“
„Er wohnt im Haus?“
„Nein, er reist jeden Mittwochvormittag zu seinem Seminar an. Warum?“
„Nun, weil ich dann, wie es aussieht, am Mittwochvormittag in der Stadt zu tun haben werde.“
Margarete hakte nach: „Sie mögen Dr. Konzelmann nicht?“
„Wo werde ich wohnen?“, fragte Traude Gunkel und ignorierte die Dozentin völlig. „Zeigen Sie mir jetzt die Zimmer im ersten Stock.“ Und während sie mit den dreien im Schlepptau die rechte der beiden Treppen nach oben ging, wollte sie wissen: „Wo ist Darren Edgar? Wenn er für die Bibliothek zuständig ist, dann unterrichtet er auch hier, nicht wahr?“
Werner, Salvatore und Margarete sahen sich gegenseitig an. Auf der obersten Stufe angelangt, blieb die Alte plötzlich stehen und sah auf sie herab. „Sie verheimlichen mir etwas“, sagte sie. „Glauben Sie nicht, ich wüsste nicht, dass Sie sich da hinten verschwörerische Blicke zuwerfen wie unreife Teenager. Wo steckt der alte Knabe?“
Als Salvatore sah, dass Werner unentschlossen war, ergriff er das Wort. „Wir wissen nicht, wo Herr Edgar sich aufhält. Deshalb sind wir auf der Suche nach einem Nachfolger.“
Die Gunkel reagierte erstaunlich gelassen auf die Eröffnung. Sie sagte nur „Aha“ und wandte sich zur Küche um. Es war nachmittags, und Ekaterini, die Köchin, bereitete in dem viel zu kleinen Raum bereits das Abendessen vor.
„Kochen Sie vollwertig?“, fragte Traude Gunkel, und die füllige Griechin, die eben in einem großen Topf eine Soße zubereitete, drehte sich um. „Warum tragen Sie kein Haarnetz?“, lautete die nächste Frage aus dem faltigen, grell geschminkten Mund. „Wo hängt Ihr Diplom?“ Dann musterte sie die Köchin von oben bis unten. „Ich glaube, Sie kochen zu fettig und naschen zu viel. Sie sollten auf Ihre Figur achten.“
Ekaterinis Mund öffnete sich, schnappte nach Luft. „Ich …“
„Und achten Sie lieber auch auf das, was Sie da im Topf haben! Wollen Sie, dass es anbrennt?“
Ekaterini war keine Frau, die sich schikanieren ließ. Sie war ein gutmütiger Mensch und hielt einiges aus, aber sie nahm keine Scheiße von niemandem , wie die amerikanische Sprache es in ihrer speziellen Poetik ausdrückte. „Ich weiß nicht, wer Sie sind“, sagte sie leise, und dann, viel lauter: „Aber wenn Sie nicht sofort aus meiner Küche verschwinden, werde ich dafür sorgen, dass Sie es gleich selbst nicht mehr wissen!“
Salvatore unterdrückte ein Kichern. Hinter dem Rücken der Alten machte er mit hochgestrecktem Daumen das Gut-Zeichen zu Ekaterini. Das Gesicht der Griechin sah richtig zum Fürchten aus, wenn sie jemandem drohte – die Lippen waren zu einem krakeligen Viereck verzerrt, die Nasenlöcher auf die doppelte Größe geweitet, und die dichten schwarzen Augenbrauen standen in einem steilen Winkel, den man sonst nur in Comicheften zu sehen bekam.
„Frau Gunkel, ich muss …“, begann Werner, doch die Weißhaarige hatte sich bereits abgewandt und war weitergegangen.
„Entschuldigen Sie sich nicht für das Dienstpersonal“, sagte sie. „Ich weiß, was für ein Desaster das heutzutage ist. Diese Südländer wissen nicht, wie man arbeitet, und werden auch noch frech, wenn man ihnen in höflicher Weise ein paar Tipps zu geben versucht. Dafür sind sie unschlagbar billig, nicht wahr, Herr Hotten, und nach dem Honorar zu urteilen, das in Ihrer Anzeige vermerkt war, ist Geld durchaus ein Thema auf Schloss Falkengrund. Was unterrichten Sie hier eigentlich?“
„Ich unterrichte … gar nichts“, gestand Werner etwas kleinlaut. „Ich kümmere mich um den Garten, halte das Gebäude instand und …“
Traude Gunkel blieb stehen, so ruckartig, als wäre ihr Fuß in einer Bärenfalle steckengeblieben. „Sie haben aber doch studiert?“, fragte sie beinahe atemlos.
Werner merkte, wie ihm das Blut in den Kopf stieg. Langsam nickte er. „Ja, ich habe studiert. An einer
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