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Die Neuen - Herz des Gladiators - Nachbars Garten

Die Neuen - Herz des Gladiators - Nachbars Garten

Titel: Die Neuen - Herz des Gladiators - Nachbars Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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Geräusch.
    „Das ist es also“, flüsterte jemand. „Sprühkleber. Eine ewige Glatze.“
    „Der Indianer hat ihn sozusagen skalpiert.“
    „So was sehe ich zum ersten Mal.“
    Dann umfing Gorgon eine Ohnmacht. Sie kam langsam und ließ ihm genügend Zeit, um vorher noch ein Gebet loszuwerden. „Ich wünsche mir“, betete er, „dass die dunkle Wand, auf die ich zutreibe, keine Ohnmacht ist, sondern der Tod.“
    Es steht nicht in der Bibel, aber Gott ordnet solche Gebete unter „A“ wie „Affekt“ und erfüllt sie nicht. Sobald man stirbt und in den Himmel kommt, zeigt Gott einem die Sammlung dieser eigenen Affekt-Gebete, und man kann sich das schönste aussuchen und es für immer aufbewahren oder an einen der Gebetshändler verkaufen, die an bedeckten Tagen das Paradies unsicher machen und sich gegenseitig mit fadenscheinigen Angeboten überbieten. „Warum, Herr“, fragen viele Seelen, „hast du dieses Gebet damals nicht erfüllt?“ Und der Herr antwortet darauf stets: „Weißt du, als es hereinkam, dachte ich einfach: Ich werde den Teufel tun.“ Dann ist es okay zu lachen – Gott wartet geradezu darauf, obwohl es stimmt, dass er einen auch liebt, wenn man nicht über seine Witze lacht.
    Das macht ihn zu einem angenehmen Chef und Vater.

2
    Gorgon behielt seinen Namen bei, obwohl die Strafe ihn für alle Zeit kahl gemacht hatte. Die Schlangen, die nicht mehr auf seinem Kopf waren, waren jetzt in seinem Herzen. Sein Verhältnis zum Indianer war durch den Vorfall belastet worden, und während er ihn vorher für einen unsympathischen, berechnenden Kerl gehalten hatte, hasste er ihn nun aus ganzem Herzen. Das bedeutete jedoch nicht, dass er auch nur eine Sekunde ans Aufhören gedacht hätte.
    Tagelang irrte er an der Grenze zum Tod entlang, bis er glaubte, sie förmlich sehen zu können. Dadurch lernte er, sich diesseits von ihr zu halten. Immer wieder hatte er denselben Albtraum. Von einem Berg blickte er auf eine Schlucht herab, in der Schlangen wimmelten, und er wusste – die Schlangengrube war das Jenseits, doch während er sich noch fragte, ob die Schlangen bedeuteten, dass er in die Hölle kommen würden, fiel ihm ein, dass es sich um die Zöpfe handeln musste, die man ihm abgeschnitten hatte. Die Schlangen waren bereits jenseits der Grenze, nur er befand sich noch auf dieser Seite.
    Zwei Wochen verbrachte er in einem Bett, von dem er nicht geschworen hätte, dass es seines war, und die Antibiotika, die er schluckte, taten ihm so gut, dass er glaubte, süchtig danach werden zu müssen. Es war wie eine Flucht, quer durch einen kochenden Fluss, der breiter war als lang, dessen Strömung einen mitzuziehen drohte, dessen Hitze einen verbrannte, und der einem doch eine winzige Chance gab, das andere Ufer zu erreichen. Man lernte, den Fluss zu lieben, und sah mit Staunen auf ihn zurück, sobald man sich an Land gehievt hatte.
    Gorgon kam wieder auf die Beine. Es dauerte zwar einige Tage, bis er wieder das Gefühl hatte, dass es tatsächlich seine eigenen Füße waren, auf denen er umherstolperte, doch in dem Maße, wie er seinen Körper zurückgewann, begann ihm auch sein Geist wieder zu gehören. Als er aus der ersten albtraumlosen Nacht erwachte, fing er mit dem Training an, und er übte noch härter als zuvor. Er war voller Energie und voller Wut. Die Blöße, die er sich gegeben hatte, schmerzte ihn; er hatte einen Ruf wiederherzustellen. Niemand sollte ihn so im Gedächtnis behalten, wie er ausgesehen hatte, als er auf dem Parkplatz lag: ein zuckender, verendender Schädling, in Fieberträumen versunken, die ihm vorgaukelten, er habe gewonnen – die hässlichste Art zu verlieren.
    An seiner Schmach hatte nur der Indianer Schuld. Er hätte ihn nicht zwingen dürfen anzutreten.
    Nach einigen verlorenen Kämpfen entwickelte sich Gorgon zu einem der Champions zurück. In einem historischen Turnier, bei dem eine knappe Million Euro über den Tisch ging, besiegte er die beiden Serben hintereinander. Danach fühlte er sich noch immer so gut, dass er sich zugetraut hätte, die Hälfte der anderen in derselben Nacht niederzuwerfen.
    Der Indianer musste seine beiden Leibwächter bitten, Gorgon ihre Knarren in den Rücken zu bohren, damit er auf den Boden zurückkam. Die Zuschauer mochten das und ließen ihn hochleben. Die beiden Serben dagegen verließen die Riege der Gladiatoren unmittelbar nach dem Kampf. Gorgon hatte nie herausgefunden, was es war, das sie antrieb. Wenn sie aufeinander trafen,

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