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Die Neuen - Herz des Gladiators - Nachbars Garten

Die Neuen - Herz des Gladiators - Nachbars Garten

Titel: Die Neuen - Herz des Gladiators - Nachbars Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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schließlich: „Hast du auch ein Geheimnis vor mir?“ Ehe sie antworten konnte, lachte er und meinte: „Nein, ich wette, du hast viele.“
    „Nur eines“, gab sie schmunzelnd zurück. „Aber wenn ich nur daran denke, dann kribbelt es mich am ganzen Körper.“ Sie stellte zuerst ihre Tasse zur Seite, dann die seine. Mit einem kleinen Sprung setzte sie sich auf die Küchenablage, spreizte die Schenkel ein wenig und zog ihn zu sich her.
    „Gorgon“, hauchte sie, und ihre Finger wanderten über seinen Bauch nach unten. „Das ist dein richtiger Name …“

3
    Und vielleicht hatte sie recht.
    Noch nie war er so zielstrebig und ausgeglichen gewesen wie in den nun folgenden Monaten. Hanna behauptete, er sei glücklich, und wahrscheinlich stimmte auch das. In seinem Leben lief eine Menge auf holprigen, schiefen Gleisen, er hatte schon schlimmere Verbrechen begangen als an einem illegalen Kampfclub teilzunehmen, und er hatte sich nicht für eine Sekunde eine Zukunft in weichen Pastellfarben und harmonischen Geigenklängen ausgemalt. Die angenehmste Vorstellung, die er sich von seiner Zukunft machen konnte, war, nicht weiter abzusteigen, nicht im Gefängnis zu enden, nicht irgendwann auf der Flucht von einem übereifrigen Bullen erschossen zu werden.
    Nicht nur, dass er sich vom Schicksal nicht mehr erhoffte – er dachte auch, dass er niemals mehr würde empfinden können als die dumpfe Erleichterung, wenn er wieder einmal einer Gefahr entgangen war.
    Aber Hanna gab ihm mehr. Und weil Hanna ihm mehr gab, gaben ihm auch die Kämpfe mehr. Jeder Sieg war ein Schlüssel zu Hanna, zu dem schönsten Körper und der ehrlichsten Liebhaberin dieses Planeten. Und jede Vereinigung mit Hanna war ein Schlüssel zu seinem nächsten Sieg.
    Sie verfolgte alle seine Kämpfe, über den ganzen Sommer und den Herbst hinweg, und natürlich auch dann noch, als sie die alte Druckerei wieder aufgeben mussten und eine neue Arena auf einem ehemaligen Lagerplatz improvisierten, auf dem Autoersatzteile in rauen Mengen verrosteten, vermutlich für ein Modell, das sich längst nicht mehr verkaufte.
    Neue Leute stießen hinzu, junge Kerle und auch ein älterer Knabe, der erstaunlich brutal im Austeilen und zäh im Einstecken war. Er behauptete, den Indianer von früher zu kennen, und er berichtete den anderen, als sie unter sich waren, woher das Interesse des Fahlhäutigen an den illegalen Kampfturnieren kam. Sie waren sich in Thailand bei einer Kickboxing-Veranstaltung begegnet. Das Muay Thai, wie die Sportart auch genannt wurde, war für viele der Ärmsten Thailands die einzige Möglichkeit, Karriere zu machen. Doch schaffte es nur eine verschwindend geringe Zahl tatsächlich, zu nennenswertem Reichtum zu kommen. Die meisten wurden von dem Sport geschluckt und als Invaliden wieder ausgespuckt, Krüppel, die nicht einmal mehr zur Arbeit auf den Reisfeldern zu gebrauchen waren und denen nur noch das Betteln blieb. So mancher Europäer erlag der Faszination dieses harten Kampfsports, auch wenn kaum einer von ihnen den thailändischen Vorbildern jemals das Wasser reichen konnte. Der Indianer hatte gar nicht erst versucht, sich dem Muay Thai von der sportlichen Seite zu nähern. Ihm war es Inspiration zum Aufbau eines eigenen Fightclubs gewesen, nicht mehr und nicht weniger.
    Der Mann, der sich den Künstlernamen „Muay Dad“ gab, zeigte in seinen Kämpfen, dass er den Kickboxern durchaus das eine oder andere abgeschaut hatte. Obwohl er schon um die Sechzig sein musste, katapultierte er sich mit seinen harten Ellbogen-Attacken und virtuosen Trittkombinationen in wenigen Duellen ins Mittelfeld der Gruppe. Seine Beinarbeit war phänomenal, seine Bewegungen so schnell, dass das Auge ihnen kaum folgen konnte. Zum Glück für Gorgon fehlte es ihm an Kraft, und der stählerne Körper des Champions steckte die meisten seiner Tritte einfach weg. Auch dem fetten Mr. Bigman und dem muskelbepackten Dschingis Khan konnte er wenig anhaben – dafür nahm er die kleineren, schlankeren Kämpfer nach allen Regeln der Kunst auseinander.
    Auch die Zahl der Wettgäste stieg an. Obwohl alle Welt von der schlechten Konjunkturlage sprach, stiegen die nächtlichen Wetteinsätze bisweilen ins Unermessliche – an gewissen Gesellschaftsschichten gingen die wirtschaftlichen Probleme offensichtlich spurlos vorüber. Vermutlich verdienten diese Leute noch an den Entlassungen und Lohnkürzungen.
    Der Winter kam, und je kälter der Wind blies, desto mehr fühlte sich Gorgon an

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