Die Neuen - Herz des Gladiators - Nachbars Garten
Konnten die Blumen Angelika mit ihren augenartigen Blüten hypnotisiert haben?
Nein, das ging jetzt zu weit! Intelligentes Handeln konnte man Pflanzen zugestehen, und sie mochten rasend schnell wachsen, wenn man diverse Gene manipulierte. Aber einem Menschen ihren Willen aufzwingen, das war far out . Außerdem benötigte Angelika keine Hypnose, um sich als eingeschworene Verbündete der Blumen zu fühlen. Das war in ihrem Charakter bereits angelegt.
Doch ein Hauch Zweifel blieb, und sie nahm sich vor, ihre Blicke von den blauäugigen Blüten fernzuhalten. Da fiel ihr auf, wie dumm es war, die Hypnosegefahr ausgerechnet in den Blüten zu sehen, nur weil diese zufällig an menschliche Augen erinnerten. Wenn Blumen hypnotisierten, dann natürlich auf ganz andere Weise als Menschen: Sie setzten Duftstoffe ein. Unzählige Pflanzen brachten mit ihrem Duft Insekten dazu, für ihre Fortpflanzung oder ihren Schutz zu sorgen. Sie kramte in ihrer Hosentasche nach einer Packung Papiertaschentücher, zog mit zitternden Fingern eines heraus und presste es sich auf Mund und Nase.
Angelika sah sie an, als wäre sie vollkommen ausgeflippt. Es war grotesk: Sie zweifelten gegenseitig an ihrem Verstand, dabei waren es nicht sie, die durchdrehten, sondern die Natur …
Jaqueline streckte die Hand aus und wies auf die Zwischentür. „Und was sagst du dazu, du … du Blumenmädchen?“
Auch über die Zwischentür führte jetzt ein Wurzelstrang, und weitere befanden sich im Aufbau.
„Das? Keine Sorge, Jackie. Die Wurzeln sind auf dem Weg zum Wasserhahn. Ein vollkommen natürliches Verhalten …“
Jaqueline hatte die Nase voll von Angelikas übermenschlichem Einfühlungsvermögen. Sie wollte gar kein Super-Emphat sein, wollte nicht wissen, wie die Pflanzen tickten – nicht, solange sie hier eingesperrt war. Sie stürzte auf die Zwischentür zu, grub ihre Finger unter die einzelne Wurzel und zerrte mit aller Kraft daran. Es mochte falsch sein, um die Zwischentür zu kämpfen, die nicht in die Freiheit, sondern nur in den nächsten Raum führte, aber sie musste zurückerobern, was noch zurückzuerobern war. Die Eingangstür war verloren, zumindest bis sie ein Werkzeug fand. Das möglicherweise im Hinterhaus auf sie wartete.
Darauf richtete sich ihre Hoffnung.
Zum Glück wagte es Angelika nicht, Jaqueline mit körperlicher Gewalt von ihrem Vorhaben abzuhalten. Dafür nutzte sie die Gelegenheit und goss seelenruhig eine Kanne Wasser an die Blumen.
Ein Energy-Drink für unsere Mörder , dachte Jaqueline zynisch. Die Bitterkeit verlieh ihr Kraft, der frische, noch einzelne Wurzelstrang gab nach und riss. Sofort drückte die junge Frau die Tür auf. Sie musste dabei gegen den Widerstand neu sprießender Wurzeln ankämpfen, die sie mit erstaunlicher Kraft zu schließen versuchten. Womit sollte sie die Tür jetzt geöffnet halten? Sie hatte keinen Stein oder Holzklotz zur Hand, den sie als Keil benutzen konnte. Während sie dagegenhielt, rann es ihr eiskalt über den Rücken. Eines war sicher: Eine kurze Schwäche, ein paar Minuten Ohnmacht, und diese Wurzelspitzen waren in ihrem Körper! Wenn du jetzt herschauen würdest, Engelchen , pulste es in ihr, dann könntest du sehen, was unsere herzigen Blümchen wirklich wollen.
Angelika schaute zwar herüber, runzelte aber nur die Stirn, vermutlich über Jaquelines Verhalten.
„Du solltest den Blumen nicht zu nahe kommen“, warnte Jaqueline, während sie die Tür offen hielt.
„Wieso? Glaubst du, sie springen mich an?“
Jaqueline verdrehte die Augen. „Es geht um ihre Duftstoffe. Sie könnten dich … Ach, vergiss es doch!“ Sie hatte es endgültig satt, mit diesem Dickköpfchen zu debattieren. Es war nicht nur ein Fehler gewesen, das Gewächshaus zu betreten, es war vor allem ein Riesenfehler gewesen, das gemeinsam mit Angelika zu tun.
„Duftstoffe“, wiederholte Angelika missbilligend. „Nur weil diese Pflanzen ein bisschen schneller und intelligenter sind als der Salbei hier und die Melisse da, sollen sie jetzt auch noch eine Gasattacke auf uns fahren, was?“ Sie näherte sich dem Beet, beugte sich ganz weit zu der Blumenreihe hinab, bis ihr Gesicht beinahe in dem Meer aus blauen Augen verschwand. Dann nahm sie einen tiefen Atemzug. Und noch einen. Und noch einen.
Dieses verfluchte trotzige Geschöpf! Jaqueline stieg das Blut in den Kopf.
Als Angelika zum dritten Mal hörbar ein- und ausgeatmet hatte, als ließe sie sich beim Arzt die Lungen abhören, gab sie plötzlich
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