Die Neuen - Herz des Gladiators - Nachbars Garten
Öffentlichkeit ignoriert – ebenso verlacht werden wie ich selbst es seinerzeit wurde. Diese Möglichkeit darf ich nicht ausschließen. Für diesen Fall muss ich vorsorgen.“
7
Gegenwart
„Faszinierend“, machte Angelika auf Mr. Spock und strich mit den Händen über die braunen Pflanzenstränge, die die Tür verschlossen. „Wurzeln, die an die Oberfläche wachsen. Hier kommt gerade eine Neue dazu …“
Unendlich langsam und dennoch viel zu schnell für eine Pflanze schob sich eine Luftwurzel quer über die Tür. Bei dieser Geschwindigkeit würde sie keine zwei Minuten brauchen, um den Meter Türbreite zurückzulegen. Ein Ding der Unmöglichkeit!
Jaqueline stellte fest, dass die Wurzeln aus den hinteren Bereichen der Beete kamen. Ganz in der Nähe der seltsamen Blumen drangen sie an die Oberfläche. Wenn es nicht so bizarr gewesen wäre, hätte man folgern müssen, dass die Wurzeln, die den beiden Frauen scheinbar bewusst den Fluchtweg verriegelten, den Pflanzen mit den augenförmigen Blüten gehörten. Auch wenn die fingerdicken Wurzeln nicht zu den zarten Pflänzchen zu passen schienen – sie erklärten, warum die Blumen nicht eingegangen waren. Ihre kräftigen Wurzeln reichten offenbar viele Meter in die Tiefe, wo sie genügend Feuchtigkeit zum Überleben fanden. Entweder waren die Beete nach unten offen, oder diese Wurzeln hatten sich ihren Weg hinab einfach freigesprengt.
„Wir brauchen ein Werkzeug“, stieß Jaqueline hervor und suchte bereits fieberhaft danach. Außer ein paar leeren Packungen Kunstdünger und Pflanzenschutzmittel fiel ihr nichts in die Hände. Nicht einmal kantige Steine lagen herum. Sie benötigten etwas Scharfes, an besten eine Gartenschere. „Schnell, hilf mir!“, drängte sie. „Wir müssen die Wurzeln kappen, sonst …“
Angelika machte keine Anstalten, ihr bei ihrer Suche zur Seite zu stehen. Stattdessen drängte sie sich an ihr vorbei und lief zur Wasserleitung. Die Gießkanne lag daneben, und Angelika stellte sie unter den Hahn.
Jaqueline hielt inne. „Was tust du da?“, fragte sie atemlos.
Angelikas Lächeln hatte etwas Salbungsvolles. Sie hätte einen guten Pfarrer abgegeben. „Ganz einfach, Jackie. Ich sorge dafür, dass die Blumen mehr Wasser bekommen. Sie wollen uns nicht gehen lassen, weil sie fürchten, bald wieder der Trockenheit ausgesetzt zu sein. Wir müssen nur ihren Durst stillen und die Bewässerungsanlage wieder in Gang bekommen, dann lassen sie uns gehen.“
Langsam schüttelte Jaqueline den Kopf. „Nein, ich glaube nicht, dass das passieren wird. Sie wollen uns.“
„Uns?“, lachte Angelika. „Was sollten sie mit uns anfangen?“
„Ich weiß es nicht. Es ist alles komplett verrückt, und vielleicht habe ich auch nur einen schlimmen Albtraum. Aber falls nicht, dann bleibt uns keine Zeit, um die Hintergründe auszudiskutieren. Wir müssen jetzt hier raus.“
Angelika schmunzelte wieder. Diesmal sah es geradezu mitleidig aus. „Jackie“, sagte sie beruhigend. „Jackie, entspann dich! Sie können uns gar nicht einsperren, selbst wenn sie es wollten. Sie mögen schnell sein – für Pflanzen –, aber wir sind immer noch schneller. Außerdem sind wir hier in einem Glashaus, hast du das vergessen? Wer im Glashaus sitzt …“
„… sollte mit Steinen werfen“, ergänzte Jaqueline. Ja, aber womit konnten sie die Scheiben zerschlagen? Doch nicht mit einer Gießkanne! Vielleicht mit Fußtritten? Das Glas sah dick aus, und sie konnte keine einzige Scheibe entdecken, die bereits gesplittert war.
Angelika hatte die Kanne inzwischen gefüllt und schickte sich an, die Blumen zu tränken.
„Stell das weg!“, brüllte Jaqueline so laut, dass Angelika zusammenzuckte und Wasser überschwappen ließ.
„Sag mal!“, beschwerte sich die Zopfträgerin.
„Je mehr Wasser du ihnen zuführst, desto stärker werden sie. Bis jetzt haben sie nicht viel gekriegt. Also wird ihr Wachstum bald zum Stillstand kommen.“ Zwei Punkte sprachen gegen diesen frommen Wunsch: die Vermutung, dass die Beete unten offen waren und die Wurzeln vielleicht sogar Zugriff auf das Grundwasser hatten, dazu der nicht zu leugnende Umstand, dass die Barrikade an der Tür unaufhaltsam wuchs.
„Wir sind ihre Freunde“, behauptete Angelika. „Freunde lassen einander nicht verdursten.“
Jaqueline griff sich an die Stirn. Sie wusste nicht, was sie mehr aufregte – die Pflanzen oder Angelika. Sie schienen unter einer Decke zu stecken. Ihr kam ein irrwitziger Gedanke:
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