Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte
breiten Prozessionsweg von der Stadt heraufkam.
Das Herz der Stadt – im Tal, das der Mosesbach durchfließt – bildete eine breite, gepflasterte und von Säulen gesäumte Straße. Ein Stück weiter befindet sich die Ruine des Haupttempels vonPetra, genannt Qasr al-Bint al-Firaun, ein einstmals höchst eindrucksvolles, freistehendes Gebäude aus dem 1 . vorchristlichen Jahrhundert. Dem Fund einer Hand aus Marmor durch Archäologen Ende der 1950 er-Jahre nach zu urteilen, verwahrte sein Allerheiligstes eine Götterstatue von beachtlichen sechs oder mehr Metern Höhe.
Ein weiteres repräsentatives Gebäude, der sogenannte Große Tempel, errichtet im 1 . nachchristlichen Jahrhundert, wird seit den 1990 er-Jahren ausgegraben. Es besteht aus einer großen Hofanlage mit direkter Wasserzufuhr von der städtischen Kanalanlage und wird an den beiden Längsseiten von dreireihigen Kolonnaden und an einer Schmalseite von einem Torbau eingerahmt. An der anderen Schmalseite befindet sich der Eingang zum eigentlichen Gebäude, das über zwei Treppenaufgänge betreten werden konnte. In dessen Inneres wurde später ein Theater mit 600 Plätzen eingebaut. Der Zweck des Gebäudes bleibt rätselhaft, möglicherweise handelte es sich um einen städtischen Versammlungsort, und der geräumige Vorhof war ein öffentlicher Platz für Handel und zwanglose Zusammenkunft, aber das bleiben Vermutungen. Noch rätselhafter ist der spätere Einbau des Theaters, das einem Rat der Stadt als Versammlungsort gedient haben könnte oder auch künstlerischen oder religiösen Zwecken – ungeklärt ist außerdem, ob das Theater überdacht war oder nicht. Bemerkenswert sind die Säulenkapitelle der dreireihigen Kolonnaden des großen Vorhofes, die indische Elefanten abbilden. Als Anregung dafür könnte die Verwendung von Elefanten als Kunstmotiv seit der Zeit Alexanders des Großen gedient haben – dann wäre der Einfluss hellenistisch –, oder aber Handelskontakte der Nabatäer mit Indien beeinflussten nabatä-ische Bildhauer zu diesen originellen Arbeiten.
Um die christliche Zeitenwende, unter der Regierung von König Aretas IV . und während der Blütezeit der Stadt, erhielt Petra ein großes Freilufttheater mit achttausend Plätzen nach griechisch-römischem Vorbild, aber unverkennbar in einem eigenen nabatäischen Stil. Es wurde in einen Hügel eingepasst, und um zu verhindern, dass reißende Wassermassen der winterlichen Sturzbäche die Senke des Zuschauerraums füllten wie eine Teeschale, führte man an der Oberkante des Halbrunds Auffangbecken entlang, die das Wasser direkt in Reservoire ableiteten.
Bei aller Pracht der öffentlichen und repräsentativen Gebäude oder der Grabmäler hochstehender Persönlichkeiten lebte die Mehrheit der bis zu vierzigtausend Einwohner von Petra sehr viel bescheidener. Von den einfachen Behausungen ist auch aus diesem Grund weniger erhalten geblieben, aber Archäologen konnten sie bis zu ihren Anfängen zurückverfolgen: als eine ebene Fläche geschaffen wurde, um ein Nomadenzelt darauf aufzubauen. Wie sich noch nachvollziehen lässt, standen die Zelte ebenso wild durcheinander wie später die Steinhäuser. Auch für die durchziehenden Karawanen, die in Petra einige Tage Aufenthalt einlegten, war gut gesorgt, und Archäologen haben regelrechte »Truck Stops« für Karawanen identifiziert: In einem nördlichen Vorort von Petra konnten die Kamele ausruhen und Nahrung finden, gab es für die Männer ein steinernes Dach über dem Kopf ebenso wie Wasser und Verpflegungsmöglichkeiten; auch standen ihnen Orte zur Verfügung, wo sie ihren religiösen Pflichten nachkommen oder Handel treiben konnten.
Unter ihrem letzten König Rabbel II . ( 70 – 106 n. Chr.) kehrten die Nabatäer stilistisch zu ihren orientalischen Wurzeln zurück. Möglicherweise geschah das als Reaktion auf den immer größer werdenden Einfluss Roms in ihrer Region, womit einiger wirtschaftlicher Druck verbunden war. Das könnte dazu geführthaben, dass die Nabatäer sich wieder auf Früheres besannen und an die Zeit vor ihrem raschen Aufstieg anzuknüpfen versuchten. Zwar wurden sie nicht wieder Nomaden, strebten aber nach wirtschaftlicher Autarkie, um vom Handel und seinen zunehmenden Unwägbarkeiten weniger abhängig zu sein. Den Niedergang ihrer Kultur konnte das aber nicht mehr aufhalten.
Es war schließlich Kaiser Trajan – vor seiner Ernennung zum princeps in römischen Außengebieten als Feldherr erfolgreich –, der 106 n. Chr.
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