Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte
Jahrhunderts geschätzte 375.000 . Unzufriedenheit und Begehrlichkeiten grassierten gleichwohl, und der gegen den Kaiser und seine unumschränkte Herrschaft gerichtete Nika-Aufstand hätte Justinian I . 532 fast die Krone gekostet, hätte er sich nicht den Beharrungswillen seiner Frau Theodora zu eigen gemacht, die Opposition energisch zurückgedrängt und den zeitweiligen Gegenkaiser hinrichten lassen. Konstantinopel blieb durch Brände im Gefolge der Unruhen stark gezeichnet zurück. Zahlreiche Gebäude waren zerstört, darunter viele Kirchen, was Kaiser Justinian veranlasste, sogleich umfangreiche Baumaßnahmen einzuleiten – mit dem Höhepunkt des Baus der Hagia Sophia, der Kirche der Heiligen Weisheit.
Wie Konstantin der Große stammte Kaiser Justinian I . aus dem südlichen Serbien. Sein Vorhaben, ein Weltreich zu errichten, das zwar nicht alle Teile des alten Römischen Reiches umfassen, aber doch immerhin den Mittelmeerraum beherrschen würde, misslang. Trotzdem gilt Justinian als einer der wichtigsten Herrscher der Spätantike – nicht nur wegen seiner umfassenden Baumaßnahmen in Konstantinopel und vielen Regionen des Reiches, denn er schuf überdies die Grundlagen für das Oströmische, das Byzantinische Reich: äußerlich durch Abwehr, innerlich durch staatliche und juristische Reformen. Während Rom immer weiter verfiel, vereinte Konstantinopel als Hauptstadt des Byzantinischen Reiches das staatliche Erbe des Imperiums, das kulturelle Erbe Griechenlands und das religiöse Erbe des Christentums,was sich über lange Zeit als kraftvolle Allianz erweisen sollte: sei es hinsichtlich der Christianisierung der Slawen oder der Abwehr des vordrängenden Islam. Der östliche Teil des Römischen Reiches verstand sich denn auch als rechtmäßiger Nachfolger des alten Rom und seine Bewohner sich selbst als Rhomoi – die Bezeichnungen Oströmisches oder Byzantinisches Reich kamen erst viel später auf.
Unter Justinian wurde 532 bis 537 am höchsten Punkt der Stadt die eindrucksvolle Kuppelbasilika Hagia Sophia erbaut, die fortan das Zentrum des östlichen Christentums bildete. Ein Jahrtausend lang, bis zum Bau des Petersdoms in Rom, war sie die größte Kirche der gesamten Christenheit. Zusammen mit dem später zerstörten Kaiserpalast, dem riesigen Hippodrom sowie weiteren Repräsentationsbauten reifte die Stadt zu einer echten Metropole heran.
Für sein Programm sowohl der Wiederherstellung der Reichseinheit als auch für bauliche Maßnahmen nicht nur in Konstantinopel musste Justinian große finanzielle Anstrengungen unternehmen. Die Ausgaben – nicht allein, aber eben auch für die Hagia Sophia – waren enorm. 145 Tonnen Gold soll sich Justinian diese architektonische Lobpreisung der göttlichen Weisheit ( hagia sophia ) gekostet haben lassen. Ohne Sparmaßnahmen andererseits sowie eine ebenso kluge wie strenge Finanzpolitik wäre das nicht möglich gewesen – ganz abgesehen vom bewundernswerten Fleiß des Kaisers, der ein regelrechter Workaholic gewesen sein muss und zudem noch die Zeit fand, theologische Schriften zu verfassen.
Die Hagia Sophia wurde einmal aus neuerer kunsthistorischer Sicht als eine der »genialsten und vollendetsten Raumschöpfungen der Weltarchitektur« bezeichnet. Gepriesen wurde der Kirchenbau aber schon früh; so wollte ihn Kosmas von Jerusalem bereits im 8 . Jahrhundert den antiken Weltwundern zur Seite gestellt sehen. Unangefochten galt die Hagia Sophia als ein Bauwerk, das sich schlichtweg nicht übertreffen ließ – der Verklärung nach so unvergleichlich und einzigartig wie sein kaiserlicher Bauherr Justinian. Eine eigene Legende um die Entstehung der Kirche präsentiert den Bau als fassbares Beispiel göttlichen Wirkens, auf das schon der Name zurückgehe: Als die Arbeiter der Kirchenbaustelle Frühstückspause machten, musste der halbwüchsige Sohn des Bauleiters auf dem Gerüst aufpassen. Dem Jungen erschien ein Engel, der ihn im Namen der heiligen Weisheit bedrängte, er möge die Arbeiter sogleich zurückholen, damit das Bauwerk zu Ehren Gottes möglichst schnell fertig werde. Der Engel übernahm für den Jungen die Wache über die Baustelle. Von diesem Vorfall erfuhr Justinian: Der Junge wurde reich beschenkt, musste aber auf eine Kykladeninsel umsiedeln, auf dass der Engel für immer die Kirche bewache – die Kirche aber nannte der Kaiser Hagia Sophia. Beim ersten Betreten des vollendeten Bauwerks soll er ausgerufen haben: »Salomon, ich habe dich
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