Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte
ringen – auf dass sich der fähigste unter ihnen behaupte. In diesem Fall gelang es Aurangzeb, über seinen Vater und seine Brüder die Oberhand zu gewinnen.
Der Außenwirkung und Selbstbestätigung der Mogulherrschaft dienten eine pompöse Hofhaltung mit überaus strenger Etikette ebenso wie die Förderung der Kunst und eine rege Bautätigkeit. Zeiten des Wohlstands, in denen sich die Staatskasse füllen konnte, erlaubten es den Herrschern, dieses Geld für andere Dinge als die Kriegsführung auszugeben. Shah Jahan investierte in öffentliche Projekte wie Kanäle, insbesondere aber in die Ausstrahlung seiner Pracht und Herrlichkeit: Er ließ aus viel Gold den riesigen diwanartigen, heute verschollenen Pfauenthron der Herrscher Indiens herstellen, der mit Perlen und Edelsteinen übersät war, wenn man Augenzeugenberichten glauben möchte. Einer dieser Edelsteine war der legendäre Koh-i-Noor, damals noch mit 186 Karat, der heute als 110 -Karäter zu den britischen Kronjuwelen gehört.
In die Geschichte ging Shah Jahan jedoch vor allem als großer Bauherr ein, der die Architektur der Mogulzeit zu Höchstleistungen anspornte, so wie es sein Vater Jahangir für die Malerei getan hatte. Paläste, Gartenanlagen, Moscheen, sogar eine ganz neue Hauptstadt ließ Shah Jahan errichten sowie mehrere Mausoleen, unter denen der Taj Mahal zweifellos das herausragende ist. Shah Jahan baute aber nicht nur als nachweltorientierter PR-Agent der indischen Mogulherrschaft, sondern auch aus ganz persönlicher Leidenschaft für Architektur. In jeder bedeutenden Stadt in allen Winkeln seines Reiches ließ er Bauten errichten, häufig aus weißem Marmor, den er besonders schätzte.
Als Hauptstadt des Mogulreiches war Agra damals in ihrem exklusiven länglichen Kern eine Gartenstadt mit prächtigen Parkanlagen, die sich entlang der Wasserseite der Yamuna wie Perlen neben den Palästen der Herrscherfamilie des Hochadels aufreihten. Über die Zeiten wurden viele Paläste in Grabmäler umgewandelt, auch weil in diesem Fall das Grundstück nach dem Tod des Besitzers nicht an den Herrscher zurückfiel. Zur Zeit seiner Erbauung stand der Taj Mahal also nicht so vergleichsweise isoliert wie heute, sondern war Teil der Gartenanlagen des alten Agra auf beiden Flussufern der Yamuna.
Die planmäßige Gartengestaltung war ein wichtiger Bestandteil der Architektur der Mogulzeit. Mit Bedacht und Können sowie streng symmetrisch angelegt, drückte sich darin die Liebe zur Natur aus, erinnerte zugleich an die vergangene Zeit des Nomadentums und versinnbildlichte, vor allem unter Shah Jahan, die Blüte des Landes unter der Regierung kluger Herrscher. DemIdealschema nach handelte es sich um eine quadratische Anlage, die von kreuzförmig angelegten Wegen in vier gleich große Teile untergliedert wird. Das Zentrum nimmt ein Wasserbecken ein oder auch ein Pavillon oder ein Grab. Das Areal ist von Mauern umschlossen, die an den Ecken mit Turmaufbauten gekrönt sind. Daneben gibt es für abschüssiges Gelände den Typus des Terrassengartens sowie den Garten am Wasser wie den des Taj Mahal. Hier wird das Gebäude nicht im Zentrum der Anlage errichtet, sondern auf einer Plattform an der Wasserseite.
Wie beim Taj Mahal werden die Gärten häufig von vier Hauptwegen in neun Teile untergliedert, und ein zentrales Gebäude umgeben acht Pavillons, die für die acht Paradiese der muslimischen Überlieferung stehen. Insbesondere in Grabanlagen taucht die Zahl Acht immer wieder auf. Eine Parallele in solch geometrischer Neunteilung des Terrains finden wir in der italienischen Renaissance. Ein europäischer Indienreisender des frühen 17 . Jahrhunderts bemerkte, dass die Gärten den Adeligen und Herrschern zu Lebzeiten der Erbauung und Zerstreuung dienten und nach dem Tod als Grabstätte, die sie sich zuvor selbst hatten errichten lassen.
Leidenschaftlich bauende Herrscher verfallen leicht auf die Idee, eine neue Hauptstadt zu gründen, so auch Shah Jahan. Er mochte Agra nicht übermäßig, sondern bevorzugte Delhi, wollte dort aber außerhalb der Stadt einen ganz neuen Regierungssitz errichten, Shahjahanabad. Shah Jahan legte größten Wert darauf, sich über den eigenen Tod hinaus als großer Herrscher zu verewigen, und seinen geliebten Großvater Akbar, dessen Vorbild er nacheiferte, wollte er an Größe noch übertreffen. Dafür schien eine prachtvolle neue Hauptstadt ebenso geeignet wie eine lobpreisende Geschichtsschreibung. Nicht überraschend also, dass
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